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[ Band 6 Brief 90: Humboldt an Caroline London, 9. Junius 1818 ]
und ihre Art, ihn zu behandeln wird nun kleinlich. Von der Be- wegung, die in Deutschland gegen Napoleon entstanden war, und der ganzen Richtung der Gemüter hat sie keinen Begriff. Durch das ganze Buch geht ein abgöttisches Loben einer freien Konstitution, und dem Buche selbst merkt man an, wenn man sie auch nicht selbst gekannt hätte, daß sie gar nichts in sich trug, worauf die wahre Freiheit edel beruht. Es zieht sie darin immer mehr das politische Treiben und Reden, die Gelegenheit und die Sucht zu glänzen an. Die Franzosen schätzt sie teils zu hoch und beurteilt sie teils auch sonst unrichtig. Allein es sind einzelne interessante und glückliche Stellen darin, und vorzüglich ist die Diktion durch das Ganze hindurch sehr vorzüglich. Von Religion ist oft die Rede in dem Buch, aber immer auf die nüchterne genferische Art. Einmal wird sie sogar schlechthin als la sanction de la morale la plus pure definiert. Cuvier *), den Du zuletzt noch in Rom sahest, ist hier. Er gefällt nicht sonderlich. Er schätzt alles hier gering und ist von der amü- santesten Eitelkeit. Er ist in diesen Tagen in die Académie Fran- çaise aufgenommen worden, das sieht er wie eine Art Apotheose an, so unbegreiflich es ist, da er in seinem Fach wirklich Bedeutung hat, und in der Académie fast keiner sitzt, der nur irgend etwas ge- schrieben hätte, was man achten möchte. Richelieu **), der selbst in der Académie ist, hat ihm seine Ernennung eigenhändig gemeldet. Den Brief trägt er immer in der Tasche, ihn gleich zeigen zu können. Ich habe sehr lachen müssen, daß du nach dem Inhalt von Koreffs Brief sagst, mein Schreiben um Zurückberufung habe recht ——— *) Georges Baron von Cuvier, geb. 1769, † 1832, Naturforscher, hatte 1808 unter Napoleon die Einrichtung der Akademie in Italien geleitet. **) Armand Emmanuel Duplessis Herzog von Richelieu, geb. 1766, † 1822, unter Ludwig XVIII. Minister. 218