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[ Band 6 Brief 90: Humboldt an Caroline London, 9. Junius 1818 ]
Dann, bleibt man bei der Wirklichkeit stehen, ist wieder eine Art Zerstreutheit und Leichtsinn in ihr, der einem wunderbar auffällt. Mir hat sie immer sehr viel Teilnahme bewiesen, und es ist närrisch, daß ich gerade in den beiden Perioden, wo ich meine Lage sehr bedeutend und bestimmt geändert habe, 1809 und jetzt, viel und allein mit ihr gewesen bin. Jetzt billigt sie mich mehr als damals. Sie ist auch der Meinung, daß es besser und eigentlich das einzig Gute ist, daß ich mich in Burgörner und Berlin festsetze. Die Sache ruht jetzt im Schoße der Götter, aber sie ist nun schon so ruchbar, daß ich sie wie gewiß und abgemacht ansehe. Gestern war ich den Morgen beim Prinz-Regenten, wie er verlangt hatte, mit ihm darüber zu sprechen. Man geht bei dieser Gelegenheit im Morgenanzug, unfrisiert und in Stiefeln zu ihm. Er behielt mich, da dazwischen auch der Herzog von York hinkam, über zwei Stunden bei sich. Ich setzte ihm alle meine Gründe, nicht länger hierbleiben zu können, auseinander, er bedauerte auf eine wirklich sehr hübsche und freundliche Art, daß es so sei, und daß Du nicht herkommen könntest, er sagte, ich sei der einzige Ge- sandte von uns aus gewesen, der ihm und dem Ministerium ganz nach dem Sinn gewesen sei, er verliere durch mein Weggehen an seiner Gesellschaft usf., indes begreife er, daß ich unter diesen Um- ständen nicht bleiben wolle. Er hat offenbar das Talent, in der Gesellschaft sehr angenehm zu sein und hat sehr viel Verstand und in einigen Dingen sehr viel Kenntnisse, in einigen Teilen der Ge- schichte besonders sehr viel, sehr viel Lektüre. Ich sehe daher meine Laufbahn hier als beendigt an. Hast Du Gelegenheit gehabt, teures Herz, das Werk der Staël zu sehen, nämlich die Considérations sur la Révolution Française in drei Bänden? Der Sohn und Schwiegersohn haben es mir geschickt, und ich habe es großenteils gelesen. Aber es macht einem keine rechte Freude. Der Gegenstand ist offenbar zu groß für sie, 217