< zurück Inhalt vor >
[ Band 6 Brief 87: Caroline an Humboldt Rom, 2. Junius 1818 ]
Vettina, ein solch Gefäß, wie noch heutzutage die großen Öl- gefäße sind. Darum sind sie beinah alle ganz. Wenn man annimmt, daß diese Gefäße eine solche Naturrevolution erlebt haben, daß fließender Peperino darüber gekommen ist, so setzt dies ein Alter- tum voraus, vor dem man allerdings erschrickt. Ich war immer tentiert sie anzureden: »Redet, Vasen, mit mir.« Rührend ist der Anblick der Asche, kleiner Knochensplitter, die sie enthalten. Auf dem Deckel der Hauptvase ist außer dem Meander, wie mir scheint, Schrift. Aber wer kann sie lesen? Die Vasen standen in einer bedeutenden Tiefe; am Rand der Peperinschichten waren sie alle ganz, wo die ganze Last des Peperins aufdrückte, waren sie zer- brochen, die äußeren Vettinen nämlich, denn die meisten inneren Vasen sind ganz. Es sind ihrer über 1000. Findest Du es nicht auch rührend, daß die Hauptvase die Form einer Hütte hat? Ihrem Bewohner wollte man also ein Haus des Todes geben, nachge- bildet dem, das er im Leben bewohnte. Auch kleine Schilde, Lanzen, Ketten, Schnallen, ein Halsband von Ambra, Ringe fand man darin, eine einzige Hauptvase hat die Form eines Helmes. In einer lag von Bronze gleichsam eine Muschel fest verpicht. Man öffnete die Ränder und fand Blumen und Samengewächse darin. Ich selbst habe sie gesehen, und noch erkennt man sie. Den 4. Die Schlegel ist vorgestern angekommen, sie kam gleich zu mir und grüßt Dich tausendmal. Ihr Mann *) hat sie bis Heidelberg ge- bracht, und sie sind übereingekommen, daß sie sich erst wieder ver- einigen wollen, wenn er eine fixe Stelle hat. Sie bleibt also wohl lange hier bei den Söhnen. Sie ist in ihrem Wesen dieselbe, in ihrer Gesundheit hat sie aber gelitten. Sie hat dieselben reißen- ——— *) Friedrich v. Schlegel, geb. 1772, † 1829, war damals als Legations- rat bei der österreichischen Bundestagsgesandtschaft in Frankfurt tätig. 212