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[ Band 6 Brief 82: Humboldt an Caroline London, 15. Mai 1818 ]
Decken usf. Es ist unglaublich, welcher Fleiß darauf verwendet worden ist. Die einzelnen Verzierungen kommen in der Mühsamkeit denen des Mittelalters sehr nahe, und dabei und darüber ist nun der große, erhabene, kräftige Geschmack. Von den äginetischen Statuen hat er nicht große aber sehr gut gemachte Zeichnungen in einem kleinen in Rom von ihm gemachten Zeichenbuche. Es sind bloße Umrisse, aber sehr scharf, mit allen Maßen, so daß man wirklich, wenn auch nicht von der eigentlichen Schönheit, aber doch vom Charakter der Statuen und ihrer Zeichnung eine sehr vollständige Idee erhält. Außer den ganzen Statuen sind einzelne Teile noch besonders größer gezeichnet. Man kann nichts Merkwürdigeres sehn, als diese Werke. Was mir am meisten dabei aufgefallen ist, ist, daß außer und gleichsam über der Nachahmung der Natur noch gewissermaßen eine reine Idee von Form darin ausgeführt, oder vielmehr, daß die Natur nicht bloß so, wie sie etwa an einem Individuum, auch dem schönsten, in die Sinne fällt, dargestellt, sondern erst einer Idee unterworfen und danach behandelt ist. Ich habe immer geglaubt, daß dies bei den ältesten Griechen der Ursprung der Kunst gewesen sei, und daß sie gleichsam mehr von Ideen der Symmetrie und des Ebenmaßes ausging, welche das mit tiefem Kunstsinn begabte Volk gleichsam aus sich in die Natur hinübertrug, oder vielmehr die es, da sie allerdings in ihr liegen, mit Absonderung alles Zufälligen, gleich und vorzugsweise in ihr sah, als von dem Totalanblick der Natur selbst. Sie wollten nicht die Menschen nachbilden, wie sie leiben und leben, sondern ihr Instinkt führte sie gleich auf die Kunst als Idee im menschlichen Körper, auf das Gerüst der Schönheit, wenn man so sagen kann, in Zirkeln, Winkeln und Linien. Dadurch hat nun alles Schönheit, alles Größe in ihnen, und die Leichtigkeit konnte sich später ohne Gefahr hinzugesellen. Dies glaube ich, erhielten sie von den Ägyptern, die aber zu sehr dabei stehn blieben. 193