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[ Band 6 Brief 82: Humboldt an Caroline London, 15. Mai 1818 ]
Deine Beschreibung der Villa di Malta hat mich sehr gerührt. Auch mir kamen die Häuser und Straßen in St. Peter und alles anfangs von dort aus, wie schön es ist, sehr verwirrt vor. Der Sinn geht einem immer nur nach und nach auf. Aber wohl ist hernach dieser Boden unendlich mit unserm Leben verwachsen. Heute früh noch las ich im Juvenal eine Stelle, die mich sehr ergriff: Rechnet man es für nichts, sagt einer, daß meine Kindheit die Lüfte des Aventins einatmete? Wohl bleibt einem dieser Hauch immer und ewig fürs Leben, und wenn man unter den Lüften des Aventins außer der lebendigen Gegenwart alles versteht, was von dem Altertum zu uns herübergekommen ist, so ist es die einzige Luft, von der ich wenigstens immerfort innerlich lebe, und seit meinem 14. Jahr an. Denn so weit kann ich zurückgehen in die Zeit, wo mich die Geschichte des Altertums ganze Tage in mir beschäftigte, längst ehe ich ein Wort griechisch und kaum ein bißchen lateinisch wußte. Unsern Mädchen bleibt der Hauch noch mehr im buchstäblichen Sinn, und in Adelheid ist er sehr wieder aufgegangen. Vielleicht auch in Gabrielen, aber da hat die nordische Liebe wohl gehemmt und gestört. Ich war vorgestern mit der Berg, die immer hier ist, im Panorama von Athen, und gestern bei dem jungen Cockerell *), von dem Du gewiß gehört hast, der einer von denen ist, die die Aus- grabungen in Aegina und Phigalea gemacht haben. Er hat eine Menge vorzüglich architektonische Zeichnungen mitgebracht, von denen er uns die interessantesten gezeigt hat. Die beiden Tage haben mich wieder sehr in Athen festgesetzt, wenn man die Elgin- schen Marmor selbst hinzunimmt, bekommt man wirklich einen sehr anschaulichen Begriff. Sehr interessant sind auch die einzelnen Zeichnungen der architektonischen Details, vorzüglich in den Simsen, ——— *) Charles Robert Cockerell, geb. 1788, † 1863, Architekt und Archäolog, studierte von 1810 bis 1817 in Italien. 192