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[ Band 6 Brief 72: Caroline an Humboldt Rom, 16. April 1818 ]
Vor ein paar Tagen geriet ich in die Villa di Malta *), ein freundlicher Mann schloß mir den Garten auf, und von da hinauf gingen wir auf die schöne breite Terrasse, die vor meinem Kabinett war, wenn Du Dich noch besinnst, wo die Albaner Berge so herrlich herüberblicken. Sie waren Lapislazuli blau, und all die kleinen Örter und Villen, die Madonna del Tufo, oben das Kloster hoben sich von dem dunkeln Grunde im vergoldenden Schimmer der Sonne wie so viele Edelsteine ab. Ich erinnerte mich klar des ersten Augenblicks, wo ich, in Rom angekommen, mit Dir und dem seligen Wilhelm auf die Terrasse heraustrat. Ich begriff es nicht. Schön sah ich wohl die Gegenstände, aber sie waren mir nicht eigen, noch war kein Bezug zwischen ihnen und mir. O mein Gott! wie sind sie es mir geworden, wie ist mein tiefstes Sein in Schmerz und Freude in eins gewoben mit diesem Boden, mit diesem Himmel. — Wie würde Wilhelm sein, wenn er gelebt hätte? Er hätte vielleicht diese Reise mit mir gemacht, hätte Rom und seine ernste Schönheit jetzt ganz kennen lernen. Caroline stand wehmütig neben mir — die Jahre ihrer Kindheit gingen in ihrem Geist an ihr vorüber, der Garten, in dem sie Ida **) zum erstenmal gesehen — die Fontäne sprudelte wie damals — der Garten ist mehr in Ordnung wie sonst, es blühten schöne Blumen darin. — — Wir waren alle in wehmütige Erinnerungen versunken und konnten uns recht schwer losreißen. Wenn ich den 15. Junius nach Nocera kommen kann und den 15. Julius abreisen, so kann ich doch nicht vor dem 31. August in Berlin sein, denn wer kann durch Florenz, Bologna so durchfliegen? Der Sinn für die heiligen Gegenstände der Kunst ist mir noch viel tiefer aufgegangen wie ehemals. Ich richte mich dann reisend, wohin Du mich gern haben willst — bist Du am Rhein, und ist Theodor ——— *) Auf dem Pincio, jetzt dem Fürsten Bülow gehörig. **) Vgl. Gabriele v. Bülow. S. 30f. 174