< zurück Inhalt vor >
[ Band 6 Brief 69: Humboldt an Caroline London, 10. April 1818 ]
und so einfach und schlicht das ist, so ist es das Wahrste und Höchste. Diese Verbindung von dem wahrsten Durchschauen der Wirklichkeit wie sie ist, dem regesten Sinn für Kunst und Ideal und der einfachsten, natürlichsten Empfindung kehrt nie wieder auf Erden zurück. 70. Caroline an Humboldt Rom, 11. April 1818 Gestern, mein geliebtes Wesen, habe ich wieder einen Brief von Dir bekommen . . . Die englischen Zeitungen ver- kündigen, daß der Prinz-Regent bei Dir gegessen habe, und mehrere Personen haben den Donnerstag abend mit mir davon gesprochen, wie von einer Sache, die viel Sensation hier macht. Du sagst in Deinem Briefe nichts davon? Ich bin auch in der Hinsicht, wie kindisch es auch ist, auf Deinen nächsten Brief begierig. Dein zugemachtes Silber war also schon fertig? Ich muß lachen, wenn ich Dich in solcher Weltgrandeur denke und mich hier al terzo piano, aber mit der Aussicht auf das »ewig-einzige Rom«. Ach, wie so gern tauschtest Du diesen Anblick ein! Wie fühltest Du mit mir in meinem süßesten Genuß, in den Momenten heiliger Erinnerung geweiht, immer, immer. Oh, wärest Du doch hier! — — Theodors *) Schweigen gegen Dich ist und bleibt mir unbegreiflich. Ja, Mathilde *) ist ein gutes treffliches Mädchen, und ich hoffe den besten Einfluß von ihr auf Theodor. Gewiß, an mir soll es nicht liegen, ihn von seinen Verirrungen zurückzuführen. Er hat ver- gessen, wer ihn unterm Herzen getragen, nicht ich. Ach, Rom ist ——— *) Vgl. Bd. V, S. 276. Theodor hatte sich, 19jährig, im Sommer 1816 mit Mathilde v. Heineken, geb. 1800, † 1882, ohne Wissen der Eltern verlobt. Da seine Eltern eine Prüfungszeit vor der Heirat verlangten, strafte er sie durch jahrelanges, völliges Verstummen. 169