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[ Band 6 Brief 69: Humboldt an Caroline London, 10. April 1818 ]
nicht sagen, wie dürftig sich die Figur machte. Von allen Seiten eine Schlankheit, aus der man gar nichts zu machen weiß. Auch in dem zartesten Mädchen muß doch alles angedeutet sein, und ein Arm und ein Fuß braucht gar nicht dick zu sein, um nicht mager und armselig zu scheinen. Darin liegt ja die große Kunst, daß groß und mächtig erscheine, was körperlich und meßbar es nicht gerade ist. Das ist sogar in der Natur, da wo sie wahrhaft schön ist. Wie groß sehen die Berge um Rom aus, die kaum den Brocken erreichen, und wie muß man ewig sich der Maße erinnern, um die Schweizergebirge so groß zu finden, als sie wahrhaft sind. In demselben Saal stehen in Nischen Antiken, so von den gewöhnlichen, gar nichts Ausgezeichnetes, nahe der Venus unter anderen eine Amazone. Aber die Person hat bei Gott doch Waden, die Venus bloß eine Art Stöcke zu Beinen. Lord Aberdeen war auch da. Er sprach mit mir über die Venus. Ich fing bloß lobend an, wie man denn Behandlung des Marmors und Gewand sehr daran loben kann. Aber Aberdeen machte mir von selbst dieselbe Bemerkung und dieselbe Vergleichung mit der Amazone, was mich sehr freute. Carolinen [Wolzogen] habe ich zwar den Schritt, den ich getan, nicht geschrieben, allein ihr gesagt, daß auch ich der Meinung sei, daß es besser sein würde, ich käme nach Deutschland zurück, und daß sie sich auf mich darin verlassen möchte. Übrigens habe ich einige Worte darüber hinzugesetzt, daß ich lieber alle Wirksamkeit aufgeben, als aufs neue eine halbe oder schiefe Stellung annehmen würde, um gleich so gewissen Erwartungen und Hoffnungen vor- zubeugen. Ich habe doch aber nur sehr kurz geschrieben, weil es immer unangenehm ist, über solche Dinge zu ausführlich zu sein. Weigel *) gibt Dir in seinem Brief ein Beiwort, was mir ihn noch werter gemacht hat. Er sagt von Dir: »Diese seltene Frau«, ——— *) Vgl. S. 80. 168