< zurück Inhalt vor >
[ Band 6 Brief 32: Caroline an Humboldt Rom, 23. Dezember 1817 ]
mußte. Nicht der Tod, aber die schrecklichen Zustände, die ihm vorangehen können, griffen mich so an. Ich sah wieder im Geist den schönen blassen Wilhelm, wie er von Zeit zu Zeit die Decke seines Bettes durch den Mund zog und nach Dir rief, ich hörte Gustavs langes Röcheln, währenddem ich inbrünstig um sein Ende zum Himmel flehte. — Es gibt viel Schmerzen — und je älter man wird, je verwundbarer und teilnehmender, wenn auch schon stärker wird man. Ingenheim hat die ersten neun Tage dieser furchtbaren Krankheit überlebt, er ist heut am elften, und es findet seit gestern sich eine Spur von Besonnenheit an. Vielleicht kommt er durch. Mich hat die ganze Lage unaussprechlich ergriffen, um des allgemeinen Elends der Menschheit willen, um Ingenheim persönlich, der gut und lieb und gegen mich hier in Rom und Neapel die Freundlichkeit und Zuvorkommenheit selbst gewesen ist. Dann schmerzt auch Weigels *) Situation mich unbeschreiblich. Zugleich liegt Ingen- heims Kammerdiener, ein Deutscher, am Faulfieber darnieder. Schrieb ich schon von einer jugendlichen weiblichen Figur, die Thorwaldsen eben jetzt, und zwar in wenig Tagen, gemacht hat? Die Restauration der letzten äginetischen Statue gab ihm die Idee dazu. Von modernen Bildhauern hat man nie so etwas gesehen. Es ist ganz etwas Neues. Die Figur stellt eine Hoffnung vor, in der rechten Hand hält sie eine Granatblume, der Blick ruht darauf, als hoffte er still auf die Frucht, mit der linken hebt sie das schöne Gewand. Die Bekleidung ist ungemein schön. Die ganze Statue hat etwas Lichtes, Hohes, Stillbewegtes, als träte sie einem vom Fußgestell entgegen. Es ist etwas durchaus Neues, nie Gesehenes, sie macht sich in allen Linien, und wie man sie auch wendet, gleich schön. Ich möchte sie wohl in Marmor besitzen. ——— *) Christian Ehrenfried v. Weigel, geb. 1748, † 1831, Arzt, Botaniker und Mineraloge, seit 1794 Direktor des Gesundheitskollegiums. 80