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[ Band 6 Brief 62: Humboldt an Caroline London, 17. März 1818 ]
reich wäre, schadet es gegen den Genuß, den Kunstwerke, wenn sie gut gewählt sind, gewähren, nicht. Mit Niebuhr hast Du vollkommen recht, er ist gut und edel. Aber wenn Du sagst, daß er zu dem nicht gut ist, was er jetzt treibt, so glaube ich, kann man das ziemlich von allem sagen, was er treiben könnte. Er hat keine praktische Richtung. Er taugt gewiß mehr zum Gelehrten und Schriftsteller. Allein bei dem letzten geht es ihm doch auch vielleicht weniger an Gemüt als an Seele ab. Er hat etwas Schroffes und Trockenes, wo es bloß Ideen oder gar nicht mehr die Gegenwart berührende Gegenstände gilt, einen Mangel an vielfach gewandter Empfindung und Ein- bildungskraft, und wo es die nahe Wirklichkeit berührt, da ist er voll Anteil, Wärme, Lebendigkeit, aber auch auf eine für eine Schrift zu irdische Weise, so wie es sich zum Handeln schickte, wozu er nun aber wieder leider nicht gemacht ist. So ist eine Art von Mißverhältnis in seinem Wesen, woran aber auch seine körperliche Beschaffenheit viel schuld sein mag. 63. Humboldt an Caroline London, 24. März 1818 Ich habe Deinen Brief Nr. 71 bekommen. Warum warst Du so trübe gestimmt, teures, einzigliebes Herz? Wie viel gäbe ich darum, in solchen Momenten bei Dir zu sein. Das Herz erleichtert sich doch mehr, wenn man liebend bei- einander ist. Ich begreife aber recht gut, wie man so wehmütig und trübsinnig sein kann, ohne irgendeine sichtbare Ursache. Du hattest zwar die von der armen Caroline noch immer dauernden Leiden. Aber Deine Wehmut schien doch zugleich von innerlich 154