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[ Band 6 Brief 63: Humboldt an Caroline London, 24. März 1818 ]
herzukommen. Im Innern der Brust gehen Dinge vor, von denen die klaren Gedanken keine Ahndung kennen, es steht unmittelbar mit dem Schicksal in Wechselwirkung, und wenn es auch nichts anderes wäre, so empfindet sich in dieser dunkelen Tiefe das Geschick der Menschheit in seiner ganzen Wahrheit, seinem Wesen und Sein, und es gibt nichts, was zugleich wehmütiger und freudiger sei als dies. Auch mir, süßes Kind, geht es oft so, und nicht hier bloß und nicht erst jetzt, aus der Jugend, von der Kindheit her erinnere ich mich solcher Tage, wo eine Zentnerlast auf dem Gemüt zu liegen scheint, und wo mit der Trübheit der Gedanken auch um das Herz ein deutlicher Schmerz zu fühlen ist, eigener als alle Schmerzen, weil er nicht mehr körperlich scheint. Aber diese Wehmut findet auch immer ihre Auflösung wieder, und man kann ihr nicht gram sein, wenn sie gleich oft zu ergreifend ist, um sie süß zu nennen. Ich hoffe, der liebliche Himmel um und in Dir wird bald zurück- gekehrt sein, schreibe es mir ja, und laß mich jede Deiner inneren Stimmungen kennen. Du weißt, daß ich jede ganz fühle und innig begleite. Das innere Weben der Seele bleibt ja immer das Höchste und Beste, und das Glücklichste ist, sich nur mit ihm in sich und anderen zu beschäftigen. In allem, was die Vorzeit und die Gegenwart, die Wirklichkeit und die Dichtung darbietet, ist das einzige anziehende Bemühen doch nur zu erkennen, zu ahnden, zu raten, welche innere Regungen die menschliche Brust in allen Ge- stalten der Menschheit füllten und bewegten. Der Prinz von Hessen-Homburg hat einen Teil seines Hof- staats zu seiner Vermählung kommen lassen, nämlich einen stammelnden Hofmarschall und Gerning als Botschafter. Ich sah ihn noch nicht, aber Caroline *) hat mir durch ihn geschrieben, einen sehr freund- schaftlichen Brief, aber der mich eigentlich geärgert hat. Statt einem durch eine so sichere Gelegenheit das mindeste Interessante ——— *) Caroline v. Wolzogen. 155