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[ Band 6 Brief 60: Humboldt an Caroline London, 13. März 1818 ]
die andern reißen sich los und geben dem Individuum durch sich selbst eine vom Leben unabhängige Gestalt. Stein siehest Du unstreitig wieder. Er wird noch leben, und dem Rhein wird man nie fremd. Ich wünschte sehr, daß Du auch zu Schlabrendorff kämst. Die vier letzten Briefe enthalten zufällig mehrere Stellen, in denen Du bestimmter von Herkommen sprichst. Ich habe Bülow davon gesagt, der aber bleibt dabei, daß Ihr gewiß nicht kommt. Es ist in der Tat merkwürdig. Danach, ob der Memnonskopf abgesprengt und nur ein restau- rierter sei, will ich hier fragen. Selten aber sind diese ägyptischen Dinge sehr schön. Überhaupt bleibt es doch immer dabei, daß das wahrhaft Schöne nur in gewisser Zeit und an gewissen Orten ge- blüht hat. Man mag auch in Dichtkunst Indisches und Arabisches und Altdeutsches und ich weiß nicht was aufsuchen, es gewährt nie einen reinen Genuß, wie den, der ganz natürlich ohne allen künstlichen Enthusiasmus hervorgeht, wenn man den Homer oder Horaz oder Dante oder so einen liest. Auch halte ich mich von jetzt an gewiß immer mehr daran. Es ist der eine lichte Punkt in der geistigen Menschheit, in den man sich nie genug vertieft. Daß meine Büste Streifen bekommen hat, ist die gerechte Strafe dafür, daß ich immer behaupte, daß es auf die Farbe nicht ankommt. Daß man aber italienischen Marmor an der Berliner Sonne bleichen will, ist eine der kühnsten Ideen, die ich je gehört habe. Die Flecke werden es auch, denke ich, wohl an sich kommen lassen, wegzugehen. Indes wird es mir hier immer im Sommer eine angenehme Idee sein, zu denken, daß ich wenigstens in der Büste irgendwo in der Sonne liege. 151