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[ Band 6 Brief 60: Humboldt an Caroline London, 13. März 1818 ]
auf die sie Einfluß hat, auch mehr gesichert. Denn allerdings kann bei einer mehr beweglichen und reizbaren Stimmung auch die Ruhe mehr leiden. Aber mir wäre es immer willkommener, und mit gegenseitiger Liebe geht man doch schön und glücklich durchs Leben und fühlt hernach, daß man sich ohne diese höhere Reizbarkeit nie mit so vielfachen Kräften begriffen und ineinander verschmelzt hätte. Daß Du den »Gebundenen« oft siehst, ist mir lieb, und wenn er noch bei Dir ist, so sage ihm, daß ich wirklich ihn sehr schätze. Er war immer und unausgesetzt von reiner und guter Gesinnung und hat mir viel Zuneigung bewiesen, wenn er auch eine Zeit hindurch sehr unzufrieden mit mir war. Deine spanischen Papiere werde ich zu retten suchen, nur muß man dazu die rechte Zeit abwarten. Wenn Du bei Deiner Rück- reise Goethen in Weimar finden solltest, wäre es am besten, es dann anzufangen. Deine Zitate aus meinen Stanzen sind äußerst lieb. Stell dir vor, daß ich gar kein Exemplar hier habe. Auch keins vom Aga- memnon. Eins von diesen habe ich hier verschenkt, eins an Brink- mann *) geschickt, da er mich durch einen Schweden grüßen ließ, und eins behält, so fatal es mir ist, die Herzogin von Cumberland ewig bei sich. Ich bin wie die Sibylle, deren Blätter herumfliegen. Ich liebe wirklich alles, was ich in der Art gemacht habe, aber es ist mir nicht gegeben, dafür Sorge zu tragen. Es sind ja doch nur Worte, die, wenn man sie jetzt wieder sagte, anders, vielleicht besser, hervorkommen würden. Das ist eben der Unterschied mit den wahren gelungenen Werken. Denen, wie die meinigen, hängt immer das Individuum an, ohne daß sie davon loskommen können, ——— *) Gustav v. Brinkmann, geb. 1764, † 1847, schwedischer und deutscher Dichter, 1792 schwedischer Legationssekretär in Berlin, 1798 in Paris, 1801 wieder in Berlin, wo er 1807 Gesandter wurde. 1808—1810 Gesandter in London, 1811 nach Stockholm zurückgekehrt. 150