< zurück Inhalt vor >
[ Band 6 Brief 60: Humboldt an Caroline London, 13. März 1818 ]
den ich von einem unserer Kinder an uns gelesen hätte, in dem sich eine große, eigentümliche Gemütsbewegung offenbart. Alle schreiben sehr hübsch, aber Caroline offenbar, als wenn noch lange nicht alles in ihr entwickelt ist, Adelheid immer mitten aus dem vollen Eindruck der Wirklichkeit und ihrer äußeren Lage, in diesen paar Blättern sind aber lauter innerliche Hauche mit viel Einfach- heit, selbst Ruhe hingegeben, allein immer so, daß man die Tiefe und die Bewegung darunter sieht. Die Reise und die Entfernung, von der selbst sie mit einer rührenden Milde, sie fast noch lobend, spricht, haben die Anlage dazu sehr ausgebildet, und ich glaube nicht, daß das Leben sie aus dieser inneren und tieferen, ihr eigen- tümlichen Idealität herausbringen wird. Das Einzige, was ich gewünscht hätte und noch wünschte, wäre nur, daß sie und auch Adelheid (auf Caroline hat noch ihre Kränklichkeit zu viel Einfluß) sich mehr und ernsthafter beschäftigten. Wenn ich bedenke, wie sehr Du es tatest mit Lesen, Zeichnen, Musik, mit welchem Ernst und Beharrlichkeit! Durch diese einsam zugebrachten, allerdings in mancher Rücksicht auch nicht angenehmen Jahre bis zu Deiner Verheiratung hast Du vorzüglich den Gehalt im Denken und Empfinden, das Streben, jede Sache in ihrem eigentlichen Sein zu kennen und zu begreifen, gewonnen, die Dich darum so auszeichnen, weil alle Lebendigkeit der Phantasie, alle Beweglichkeit des Gefühls, aller Reichtum und alle Mannigfaltigkeit der Anschauung damit verbunden ist. Die frühe Verheiratung, selbst das zu frühe Bestimmen darauf hemmt und stört da natürlich. Doch ist jeder Mensch anders, und auch verschiedene Wege führen zum gleichen Ziel. Darum möchte ich nicht sagen, daß es nicht auch mit Gabrielen anders sein könnte. Adelheid wird unfehlbar nun in ihrem Gang bleiben, der auch sehr lieb und gut ist, nur allerdings weniger frei von äußerer Rücksicht, als man es für weibliche und jugendliche Natur gern hat. Dafür ist ihr Glück und das derer, 149