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[   Band 6 Brief 56:    Caroline an Humboldt     Rom, 3. März 1818   ]


San Gennaro und Tivoli, die Monticelli und der Monte Rotondo
im rosenroten Lichte des Abendgoldes.
Den Vormittag war ich mit Brandenburg und Roeder *) bei
Thorwaldsen gewesen. Ich kann Dir gar nicht sagen, wie ihnen
wurde, wie er so fünf große Ateliers eins nach dem andern auf-
schloß und die Fülle herrlicher Gestalten sie mehr und mehr umgab.
Und immer reicher und lebendiger entfalten neue Schöpfungen sich
aus diesem großen Künstler. Da er sehr gut mit mir ist, so hat
er mir das Neueste gezeigt, woran er arbeitet. Eine Gruppe, die
drei Grazien, in denen alle Zartheit und aller Schmelz weiblicher
Gestalt sich ausdrückt, und ein Merkur, wie er lauernd den Argos
einschläfert. Er hat eben auf der Hirtenflöte gespielt und greift
mit der Rechten zum Schwert, da er in der Linken das Instrument
noch am Munde hält. Er sitzt nachlässig auf einem Baumstamm.
Daß Dir der Kaffee nicht schmeckt, tut mir unendlich leid.
Wenn Du eine Kaffeemaschine hast, so ist er gar nicht zu ver-
derben, allein die Größe der Maschine muß der Zahl der Tassen
angemessen sein. Für eine oder zwei Tassen, wie Du trinkst, gehört
eine sehr kleine Maschine. Wenn Du die hast, die nicht alle Welt
kosten kann, so muß nur vorzüglich auf das Brennen des Kaffees
gesehen werden. Er muß hochbraun sein, nicht schwarz, und gleich-
sam klebricht vom Öl, das er enthält. Auf eine Tasse nimmst Du
etwa 70 bis 80 Bohnen, davon muß er vortrefflich werden. Wenn
er gemahlen ist, schüttet man ihn auf den feindurchlöcherten Boden
des oberen Aufsatzes und stampft ihn fest, damit die Tasse kochend
heißen Wassers, die man darauf gießt, nicht zu schnell durchsickere.
Das ist die ganze Kunst, und ich wette, der Jäger wird es gleich
können. Daß Du von früh acht Uhr bis abends sieben Uhr und
darüber nichts issest, gar nichts, will mir nicht recht gefallen. Eine

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*) Vermutlich Carl v. Roeder, geb. 1787, † 1856. Seit 1816 zweiter
Adjutant des Kronprinzen.

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