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[   Band 6 Brief 56:    Caroline an Humboldt     Rom, 3. März 1818   ]


Tasse Bouillon mit einem frischen Ei oder sonst eine Kleinigkeit
wäre doch zu essen gewiß gesünder.
Ich breche heute hier ab. Der Kronprinz von Bayern *) kommt
beinahe einen Tag um den andern abends zu mir. Er schwelgt
recht in der Freude und dem Genuß, den Rom darbietet, und zieht
sich soviel wie möglich von aller Gesellschaft zurück, Gegenden,
Kunst und Kunstsachen allein sehend.
Lebe wohl. Ewig Deine Li.


57. Humboldt an Caroline           London, 3. März 1818

Mit Schick ihn [den Maler Lawrence **)] zu vergleichen, wäre
wahrlich Sünde. Ich halte gar nicht sehr viel von ihm.
Man kann überhaupt die hiesigen Künstler nur negativ
loben. Sie sind von dem Manierierten der Franzosen frei, und
wenn es noch höher kommt, so setzen sie auch an die Stelle dieser
Manier keine andere eigene. Allein nun fehlt es auch an dem
eigenen poetischen Schwung, und es ist nur trockene Korrektheit zu
loben. Im Grunde ist meinem Gefühl nach die Kunst hier nicht
nur in einer ungünstigeren Lage, sondern auf einer niedrigeren
Stufe als in Frankreich. In dem französischen Charakter liegt doch
an sich Phantasie, wenn sie auch nicht tief eindringt, allein die,
welche die Engländer unverkennbar besitzen, und die unendlich edler,
stärker und schöner sich ausgesprochen hat, ja es vielleicht manchmal
noch tut, ist von der Leichtigkeit der Kunst sehr entfernt. Sie
müßte erst noch eine Menge Umänderungen erfahren, ehe sie auch
in diesem Gebiet geltend würde, ja ich möchte nicht sagen, daß es

———
*) Ludwig, geb. 1786, † 1868, von 1825 bis 1848  König Ludwig I.
**) Sir Thomas Lawrence, geb. 1769, † 1830.

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