< zurück Inhalt vor >
[ Band 6 Brief 55: Humboldt an Caroline London, 27. Februar 1818 ]
ums Herz schlingt, ohne daß man davon lassen kann. Ob die Menschen selbst hier so etwas empfinden, ist mir nicht deutlich, und ich zweifle daran. Aber der Fremde geht darum nur noch fremder herum, was für mich großen Reiz hat. Lebe wohl, süßes, teures Leben. Ewig dein H. 56. Caroline an Humboldt Rom, 3. März 1818 Ich habe mit wahrer Rührung, mein geliebtes Herz, Deine Nummer 79 mit dem Rechnungsauszug der Monate November, Dezember und Januar bekommen. Es fielen mir die hübschen Seiten ein, wo wir uns zusammentaten, um zu rechnen, wo Du mir zur Belohnung Kaffee machen ließest, wo uns der Kopf von Zahlen schwirrte. Ach, wo sind sie hin! Doch sie werden wiederkommen und bald. Ich habe Dir am Sonnabend einen so traurigen Brief ge- schrieben, den ich mir sehr vorgeworfen habe. Gleichsam eine Art Spleen hatte mich übernommen. Eine eisige Kälte mit Schlacker- regen, der auf den Bergen Schnee war, und ein dichter Nebel erfüllte die Luft. Es war mir, als könnte ich mich in der gewärmten Stube und sehr warm eingekleidet nicht erwärmen. Meine Nerven waren so angegriffen, daß ich einmal über das andere in Tränen ausbrach. Am Abend trat eine ordentlich reinigende Tramontana ein, und der Sonntag war einer der schönsten Tage, die ich je erlebt habe. Eine Beleuchtung auf dem Kranz dieser herrlichen Berge, daß sie gleichsam nicht mehr der Erde anzugehören schienen, sondern wie Himmelsgebilde herabgesunken aus lichten Höhen. Am Abend sah ich die Apenninenkette. Blau wie Lapislazuli lag der 139