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[ Band 6 Brief 55: Humboldt an Caroline London, 27. Februar 1818 ]
Mehlspeisen, es nimmt kein Ende. Der Luxus ist in keinem Lande höher gestiegen, und das Verzweifelndste ist, daß er noch dabei immer ganz einfach aussieht. Diese Verbindung der Einfachheit mit dem ungeheuren Aufwande ist das wahre und echte Zeichen des Reichtums und der Wohlhabenheit. Ich glaube nie, daß ich an diesem Lande einen solchen Gefallen finden würde, daß ich über seine Mängel auch nur einigermaßen blind würde, allein schon in so wenigen Monaten, als ich hier bin, wird man doch durch vieles gewonnen, und ich begreife sehr gut, wie besonders Leute, die an dem Äußeren kleben, wenn sie erst einmal lange genug hier gewesen sind, um dem Leben Geschmack abzugewinnen, nicht füglich in einem anderen Lande leben können, wie man es auch häufig genug findet. Aber Zeit gehört dazu, selbst um nur vieles erst zu begreifen und zu verstehen. Für mich wird hier kein Bleiben sein. Beim Silber brauch ich auch mehr Bestecke, ich habe nur fünf Dutzend, und man rechnet wenigstens sechs Couverts auf die Person. Aber ich ennuyiere Dich armes Kind mit diesen Armseligkeiten. Nur muß ich leider jetzt oft daran denken. Das Regiment des Hauses macht mir viel Not. Es ist wirklich viel leichter, einen Staat zu regieren. Das Wetter ist heut schön, der Himmel blau und die Luft müde. Die Engländer lassen sich selten gehen, sie fahren wie der Wind, der sie umweht, hin und wieder, und kommen nicht zu sich selbst. Aber wer sich den Eindrücken überläßt, den haucht es unendlich sehnsüchtig an. Aber es ist nicht die himmlische Sehnsucht, die man in den wahrhaft menschlichen Ländern hat, die einen gerade aufwärts zieht und doch innig verschmolzen ist mit Bewunderung und Liebe zu allen Umgebungen, wo man die Gräber liebt, weil sie dem Himmel eignen und an den Boden heften; es ist hier eine nähere, irdischere, wo man hinüber möchte über Meer und Berge, oder sich verschließen in dem dumpfen Gefühl, das sich mit Wehmut 138