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[ Band 6 Brief 45: Humboldt an Caroline London, 23. Januar 1818 ]
sich selbst sagen, wie er eine solche Trennung, eine solche Sorge und Unruhe erträgt, und sie könnte leicht Euch beiden das Leben so verbittern, daß Ihr selbst körperlich dabei littet. Sehnsucht, um Hilfe zu geben, die nicht befriedigt werden kann, ist unendlich zerreißend. Ach, im Entschluß ist der Mensch immer furchtbar, hart gegen sich und andere, läßt fahren, was er festhalten sollte, und vertraut sich dem Neuen. Auch bei unseren Trennungen habe ich das oft empfunden. Man spricht so leicht von der Entfernung, und dann, wenn die Räder fortrollen, ihr letztes Geräusch verhallt, dann fällt es auf einen wie eine endlose Einöde. Wenn wir jetzt wieder zusammen sind, werde ich mich viel sicherer verwahren und wie viel Gelegenheiten doch können kommen, denen man sich wieder nicht entziehen kann. Es ist eine schlimme Zeit. Die Ruhe haben wir in der Jugend genossen, worüber ich das Geschick nicht tadele, weil man nichts Genossenes, das einmal vor allem Wechsel geborgen ist, tadeln muß, aber das Alter wird schwerlich dahin gelangen. Ich sehe die Fortdauer öffentlicher Ruhe nicht voraus. Man will sie von allen Seiten, aber der Wille macht es nicht aus, man müßte eine Menge unruhiger oder feindseliger Kräfte bändigen und beschwichtigen, und man läßt sie vielmehr kochen und gären. Wenn es aber unten siedet, läßt sich der Vulkan oben nicht zu- decken. Von Adelheid *) habe ich wieder indirekt Nachricht. Der Groß- herzog von Strelitz **) schreibt mir: »Ihre liebliche Tochter ist un- endlich verschönt und wie durchdrungen von dem belebenden süd- lichen Strahl zurückgekehrt. Von Ihrer Frau habe ich einen uner- meßlich reichen, göttlichen Brief erhalten, fürchte aber nie wieder einen zu bekommen, da ich einen ganzen Folioband darauf ——— *) Lebte mit ihrem Manne, der Adjutant beim Prinzen Wilhelm, Bruder Friedrich Wilhelms III., war, in Berlin. **) Georg, geb. 1779, † 1860, seit 1816 Großherzog. 110