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[ Band 6 Brief 42: Humboldt an Caroline London, 15. Januar 1818 ]
Damen bleibt, währen gut und gern bis halb elf, und es sind nicht die unterhaltendsten. Nachher werden meist noch Spielpartien gemacht, da man meistenteils wieder zum Abend, jedoch ohne Souper, Leute bittet. Mein Trost war gestern die Berg. Sie ist in alles, was bei uns vorgeht, eingeweiht, und eine Frau von nicht eigentlich ausgezeichnetem Geist und Gefühl, aber die von beidem genug besitzt, um im Gespräch teilnehmend und interessiert zu sein. Dabei hat sie wirklich eine seltene Anspruchlosigkeit und Resignation, denn ihre Lage, die einmal sehr glänzend war, ist es jetzt gar nicht. Ich hatte einmal bei ihr erzählt, daß ich Briefe von Schiller *) gefunden hätte, und sie wünschte einige zu sehen. Ich habe ihr jetzt welche gegeben. Dies hat gemacht, daß ich sie selbst wieder lese. Es sind die vorzüglich, die er mir nach Tegel und Berlin hin schrieb, über den Almanach und die Horen meistenteils. Du glaubst nicht, wie sie mich interessieren. Es sind auch lange Stellen über mich darin und von der treffendsten Wahrheit. Ich weiß nicht, ob es noch jetzt Leute geben mag, die so offen über sich selbst reden und so tief in ihre Individualität eingreifen. Ich möchte es bezweifeln. Man hat auch jetzt gar nicht mehr Zeit, sich so mit sich zu beschäftigen. Es ist mir sehr merkwürdig auf- gefallen. In einer Reihe von Briefen, die durch mehr als ein Jahr geht, ist auch nicht ein Wort über öffentliche Begebenheiten. Schreibt man jetzt, auch nicht bloß ich in meiner Lage, wohl einen einzigen Brief ohne dies? Ich will nicht behaupten, ob es besser ist, jetzt oder damals. Damals sah man alles, was dahin einschlug, als Geschäfte an, die vom wissenschaftlichen Leben getrennt waren und es nur gestört haben würden. Jetzt glaubt man, daß der Mensch nicht seine wahre Vollendung, seinen eigentlichen Wert ——— *) Briefwechsel zwischen Schiller und Wilhelm v. Humboldt. Dritte vermehrte Auflage mit Anmerkungen. Herausgegeben von A. Leitzmann, Stuttgart. Cotta 1900. 103