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[ Band 6 Brief 41: Caroline an Humboldt Rom, 15. Januar 1818 ]
41. Caroline an Humboldt Rom, 15. Januar 1818 Meine geliebteste Seele! Der Posttag hat vollkommen geändert . . . Deine Nummer 63 war gar ungeschickt aufgemacht und mit einem nachge- stochenen Siegel von Dir wieder zugemacht. Den Montag war ich auf dem Hügel des Testaccio und dann unten bei unseren Gräbern. Die Berge ruhten gleichsam durch- sichtig von Farbe an dem Rande des Horizontes. Wie schön, wie ernst, wie groß ist diese Erde! Wie verstanden es die, die hier den Sitz der Weltherrschaft gründeten! Wir gingen hinab und fuhren hernach nach dem Priorat von Malta, wo schon Orangenblüten sich an den mit goldenen Früchten schwer behangenen Bäumen zeigten, und der ganze Garten voller Rosen blühte und Veilchenduft aus dem Grase aufstieg. Wir gingen auf die Loggia. Die Gegend, von dort aus gesehen, war noch schöner als vom Hügel. Die Meereslinie zeichnete sich nicht allein durch ihre Fläche, auch durch den silbernen Glanz aus, den das Meer heraufstrahlte. Ich gedachte der Abende, wo wir zusammen auf der Loggia waren, einer Nacht, wo wir die Erleuch- tung der Peterskuppel von da sahen. Ich dachte der entfernten Kinder. Der Tod ist ja wohl auch nur eine Entfernung, und was so sich angehört hat, sollte das in keiner anderen Form sich wieder begegnen? Die Pyramide liegt, von der Loggia herunter gesehen, in einem Meer von grünender Vegetation, und wo das Auge in der weiten Campagna umherschweift, ruht es auf Denkmälern der Toten. — Ich dachte an Dich, und wie Du, süßes, liebes Herz, in dem dunklen neblichten London dieser einzig seligen Klarheit des Himmels und der Erde entbehren mußt, Du, der Du sie so zu schätzen wußtest, dem sie so tief im innersten Busen zusagte, daß Dein inneres Sein gleichsam 97