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[ Band 6 Brief 40: Humboldt an Caroline London, 9. Januar 1818 ]
finden, mich gerade da hinzustellen. Wenn ich selbst über mein Leben nachdenke, so habe ich vielleicht Unrecht gehabt, nicht darauf zu bestehen, als ich nach Wien ging, meinen Posten in Berlin statt des Gesandtschaftspostens zu behalten. Ich hätte eine lang- same, minder auffallende, selbst minder einträgliche Laufbahn gemacht, allein ich wäre dann im Inneren geblieben und hätte da unstreitig doch auch etwas Bedeutendes erreicht. So etwas läßt sich im Grunde schwer entscheiden, da immer so vieles darin verwebt sein kann, was sich nicht berechnen läßt. Zugleich fragt es sich auch, ob, was ich in Wien getan habe, gleich gut und mit gleichem Glück wäre von einem anderen getan worden? Und wäre das nicht ge- wesen, so war es freilich besser so. Überhaupt bin ich immer sehr optimistisch gesinnt, daß alles am besten ist, wie es ist. Mit meinem Silber bin ich sehr schlimm dran, und nach hiesiger Mode wird mein Tisch nie gut aussehen. Wir haben nicht genug und nicht groß genug, und nicht nach Art des hiesigen Tafelarrangements. So hat man hier immer zwei Terrinen, größere Schüsseln zu den Fischen und großen Fleischspeisen. Der Unter- schied kommt daher, daß man alles zugleich aussetzt, und dies anders zu machen, daran ist hier schlechterdings nicht zu denken. Die Engländer wenigstens würden gar nicht bei einem essen. Diese Gewalt, welche die Engländer über die Fremden ausüben, sie zu ihren Sitten zu zwingen, ist wirklich merkwürdig. Sie reden gar nicht davon und tun eigentlich nichts dazu, aber man findet hier alles in so festen, konsequenten und durch alle Punkte durchgehen- den Formen, auch bis auf gewisse Unterschiede so gleich durch alle Stände der Nation, daß einem auch gar nicht einmal der Gedanke kommt, sich davon ausnehmen zu wollen. 96