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[   Band 6 Brief 36:    Humboldt an Caroline    London, 29. Dezember 1817   ]


warst, so bin ich doch sehr begierig auf neue Nachrichten von Dir,
holde Li. Du warst noch nicht ausgegangen als Du zuletzt schriebst.
Ich bin sehr wohl. Ich kann zwar nicht sagen, daß ich mich hier
besser befände als sonst anderwärts. Du weißt, daß mir überhaupt
nicht leicht etwas fehlt, allein ein sonderbares Gefühl habe ich
erst seit ich hier bin. Ich spüre in den ersten Stunden nach meinem
Aufstehen eine so ungewöhnliche Leichtigkeit und Heiterkeit des
Kopfes, daß ich mich nie und nirgends einer solchen erinnere.
Man ist sonst leicht schwer gestimmt und bedarf erst einiger Zeit,
sich loszuwickeln. Mir ist es hier gerade im Gegenteil. Auch
beschäftige ich mich die erste halbe Stunde nie mit dem, was das
gewöhnliche Tagewerk betrifft. Man kommt dann gestärkt dazu
und behält Mut und Rüstigkeit bis zum Abend. Ich kann
nur noch nicht dazu kommen, etwas eigentlich für mich zu arbeiten,
und wer weiß, ob ich je hier dahin gelange. Eine neue Nation
und eine neue Sprache zerstreuen ungeheuer und nehmen eine unge-
messene Zeit in Anspruch, und es ist immer besser, in Nachdenken
und Betrachtung in sich zu sammeln, als nur so aus dem, was
man nun einmal hat, etwas zu entspinnen.
Dein Bild von Schick *) ist in meiner Wohnstube, und heute,
wie mein Sprachmeister da war, sagte er mit einmal ganz ver-
wundert, was es für ein treffliches Bild und für ein schönes Ge-
sicht sei! Es fiel mir sehr auf und freute mich doppelt, da ich
recht sah, wie es ihn frappiert haben mußte. Denn er ist ein
ältlicher, sehr kalter Mann, und wir sprechen selten etwas anderes
als die Stunde fordert. Es ist wirklich ein göttlicher Kopf, und
der eine tiefe Ähnlichkeit hat und Dein ganzes Wesen ausdrückt.
Nur hat es zu starke Züge, da in Deinem Gesicht viel mehr
Sanftmut und Feinheit ist. Das Bild macht mich sehr glücklich.
Mein Brief muß heute entsetzlich alles durcheinander enthalten,

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*) Gottlieb Schick, geb. 1764, † 1812. Das Bild siehe Bd. III, S. 1.

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