< zurück Inhalt vor >
[ Band 6 Brief 35: Caroline an Humboldt Rom, 27. Dezember 1817 ]
Trennung gar nicht absähe, und macht mir die Kleine ganz konfus damit. Ich meinerseits tue alles, um Gabrielle einfach zu er- halten. Die Sehnsucht ist etwas ganz anderes wie ein Unglück. Die Sehnsucht, wie schmerzlich sie sein kann, ist kein Unglück. Sie stellt jedes irdische Glück dahin, wo es stehen muß — in das Ge- biet des Irdischen, und hebt bei jeder süßen Wonne noch den Blick zu dem Ewigen, zum umwandelbaren Himmel hinauf. Das Glück, geliebt zu sein, ist so groß, daß es selbst über den Schmerz der Trennung hinwegheben muß. Allein, wenn auch in Berlin diese Empfindung in ihm aufdämmern wollte, so finde ich jetzt sie ganz erloschen. Gegenwart und nur Gegenwart tönen alle seine Briefe. Nun lebe wohl, die Kinder grüßen. Ewig Deine treue Li. 36. Humboldt an Caroline London, 29. Dezember 1817 Das Jahr geht zu Ende, teure Li, und ich freue mich herzlich darüber. Möchte nur auch das folgende recht viele Monate durchgemacht haben. Ich sagte heut der Berg, zu der die Herzogin von Cumberland kam, daß ich hier immer mit großer Freude aufstände und froh zu Bette ginge, und sie begriffen es nicht. Wie sollten sie auch? Es gibt selten einen Menschen, der die Sehnsucht versteht, und darum muß man mit keinem davon sprechen. Aber ich sehne mich unendlich nach Dir, mein süßes Herz und einzig geliebtes Dasein. Ich sehe die Tage gern schwinden, weil sie so mich Dir näher führen. Auch habe ich es immer für eins der pathetischen und gravitätischen Vorurteile gehalten, wenn man von dem Wert der Zeit und ihrer Benutzung spricht und über ihr Vergehen klagt. Die Zeit ist da, wie der Mensch, daß sie verrinne. Sie kann es 86