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[   Band 6 Brief 35:    Caroline an Humboldt     Rom, 27. Dezember 1817   ]


Wie ist es denn mit Alexanders Buch? Sind nun alle Werke
fertig, die aus der Südamerikanischen Reise hervorgegangen sind?
Denkt er noch auf die Reise nach dem Tibet? Für seine Ge-
sundheit und sein Leben hoffe ich nein, für die Wissenschaft wünschte
ich, es käme noch zustande. Daß er französisch ist durch und durch,
fühlt sich besonders daran, wie er nie den deutschen Geist begreift.
Er hat auch den von 1813 nicht begriffen.
Ich war gestern bei Canova *). Es ist eine Höflichkeit, die
man nicht ganz versäumen kann von Zeit zu Zeit zu haben. Er
läßt Dich sehr grüßen. Er selbst wird in seinen Arbeiten immer
flacher. Die Statuen haben alle dasselbe Gesicht, und es ist weder
ein reizendes noch ein tiefes.
Du hast Hermann sehr reichlich und zweckmäßig bedacht. Ob
denn Theodor auch weder Dir noch mir zu Weihnachten, gegen
seinen Geburtstag zu, schreiben wird? Er liebte doch sehr die Ge-
schenke, die er da bekam. Ich mache mir über sein Stillschweigen
Raison, aber meinem Herzen tut er darum nicht weniger weh. Es
sind jetzt acht Monate, wo ich auch nicht wissen würde, daß er lebt,
wenn Du auf Deiner Reise nach England nicht einige Kunde von
ihm eingezogen hättest.
Ich las schreibend noch einmal Deinen lieben Brief vom 29. No-
vember durch. Es hat mich aufs neue unbeschreiblich gerührt, was
Du über das Verhältnis vom Mann zur Frau sagst. Ach, Du
bist einzig gut, und Dir hat die weise Natur bei dem stillen, klaren,
festen männlichen Entschluß und Charakter weibliche Milde und
Zartheit beigemischt. Darum begreifst Du so tief Frauennatur.
Gewiß bist Du einzig darin.
Laß doch gelegentlich so vor Bülow fallen, daß Du mich im
August spätestens erwartest, denn in jedem, aber auch in jedem
Brief an Gabrielle jammert er darüber, daß er das Ende dieser

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*) Antonio Canova, geb. 1757,  † 1822.

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