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[ Band 6 Brief 29: Caroline an Humboldt Rom, 13. Dezember 1817 ]
halbe Maßregel in dem allen. Aber leugnen kann ich’s nicht, ich hätte Dich in dem Wirkungskreis sehen mögen, den man Altenstein gegeben hat *). Er wäre Deiner und Deiner Kenntnisse würdig ge- wesen; auch finde ich etwas Reelleres, Bleibenderes, Würdigeres eigentlich in einem solchen als in dem der auswärtigen Geschäfte, ich glaube, es kommt alles, wie Du es sagst und lang vorhergesehen hast. Ich habe auch, das weiß der Himmel, weiter gar nichts da- gegen, als daß es mir um das Land leid tut, dem so viel schöne Kräfte entzogen werden, sonst werde ich, hier oder bei uns auf dem Lande, sehr heiter und glücklich neben und mit Dir leben. Ich lese jetzt mit den Kindern in den Nachmittagsstunden viele Lebensgeschichten der Pittori und Scultori im Vasari. Es ist eine Übung in der Sprache, und sie sind hübsch geschrieben. Ich werde mir Übersetzungen einiger lateinischer Schriftsteller zu verschaffen suchen. Allerdings belebt die Kenntnis der Geschichte hier unendlich das Leben des Tages. Ach, daß Du hier wärst! rufe ich jeden Tag mit tiefster Sehnsucht aus. Wenn es trübe ist, so ist es, wie wenn die schöne, großartige Natur mit einem Schleier der Wehmut umgeben wäre, wenn es heiter ist, so ist’s nicht solch eine wilde Heiterkeit, wie sie sich mir an schönen, son- nigen Tagen wohl bei uns aufgedrungen hat — es ist gleichsam eine hehre Feier zwischen Himmel und Erde. 30. Humboldt an Caroline London, 18. Dezember 1817 Wir haben diese Woche noch keine Briefe von Dir gehabt liebe Li, wie mag es Dir und den Mädchen gehen? Es ist mir ein großer Trost, daß Du einen deutschen, und wie es scheint, guten Arzt hast . . . ——— *) Als Kultusminister. 76