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[   Band 6 Brief 28:    Humboldt an Caroline    London, 13. Dezember 1817   ]


Er scheint vorzüglich auf den italienischen Himmel und das Klima
zu rechnen. Glaubtest Du wirklich, teures Herz, Caroline müsse
noch dort bleiben, so schreibe es mir. Ich ändere dann auf einmal
meine Lage. Wir können unser häusliches Glück nicht einer Ge-
schäftigkeit opfern, die, das kannst Du mir gewiß glauben, weder
so notwendig noch so wohltätig ist. Wir haben ihr schon viele
Opfer dieser Art gebracht, man kann nicht das größte hinzulegen,
Carolinens Gesundheit in Gefahr zu bringen oder noch länger ge-
trennt zu bleiben.
Für die Geschichte der christlichen Religion *) bin ich auch ein
wenig bange. Es ist kein glücklich gewählter Gegenstand, eine Ge-
schichte einer an sich bestimmten Idee. Ein großer Künstler kann
alles schön machen, allein es ist doch nicht gut, wenn der Stoff zu
sehr widerstrebt. Die christliche Religion ist, meines Erachtens, nur
für die Malerei gemacht. Ihr Triumph ist eigentlich in der Musik,
und ich bin gewiß, daß ohne sie nie unsere neuere Musik, die doch
gewiß die alte unglaublich übertrifft, entstanden wäre. Aber das
blos Plastische ist ihr zuwider. Die Malerei steht noch in der Mitte.
Das Postgeld ist hier ordentlich lächerlich teuer. Ich, oder
vielmehr der König, gebe manchmal an einem Posttag für meine
eigenen abgehenden Sachen fünf, sechs Pfund. Ein Paket von
Flemming **) neulich kostete 17.
Nun lebe wohl, geliebtestes Herz.

———
*) Thorwaldsen hatte vom Kronprinzen von Bayern den Auftrag er-
halten, ein mehrere 100 Fuß langes Basrelief dieses Inhalts als Fries im
Innern einer Kirche auszuführen.
**) Graf Flemming war 1815 Legationssekretär bei Humboldt gewesen,
wurde 1816 Gesandter in Rio de Janeiro, später in Lissabon und 1823 in
Neapel.

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