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[   Band 6 Brief 22:    Caroline an Humboldt     Rom, 25. November 1817   ]


Was Du mir von Frau v. Staël schreibst hat mich sehr
geschmerzt. Ein Amerikaner ist hier, der außerordentlich gut Deutsch
spricht, er kennt auch Alexander, der hat sie bis zweimal 24 Stunden
vor ihrem Tode gesehen. Er sagte, ihre Augen seien noch schön,
seelenvoll gewesen, und sie habe mit unaussprechlicher Freundlich-
keit ihre Freunde an ihrem Krankenlager begrüßt. Man sagt,
Rocca, der im Sommer hier war, sei in Genf gestorben. Ihr
Tod hat mir doch sehr weh getan. Doch finde ich, ist’s eine Gunst
des Schicksals, daß sie den ihres geliebten Freundes nicht erlebt hat.
Gneisenau will ich wirklich dieser Tage schreiben, um so mehr
Fremde aus Schlesien mir eine Rekommandation von ihm gebracht
haben.
Ich umarme Dich, meine liebe Seele, mit den lieben Mädchen.

23. Humboldt an Caroline                        London, 26. November 1817

Ich habe einen Brief von Scholtz vom 10., er legt sich Dir
zu Füßen. Auch endlich Depeschen vom 6. vom Staats-
kanzler. Damals war er also noch in Berlin. Die
Varnhagen *) schreibt mir, daß sie gar nicht an sein Reisen glaubt.
Ein Brief von der Varnhagen an mich wird Dich nicht wenig
wundern. Es gibt Fliegennaturen, die nicht nachlassen. Da er
mit mir in Frankfurt verunglückte, muß nun sie versuchen. Als
ich sie in Brüssel mit ihm fand, nötigte sie mich durch ein Billet,
sie zu besuchen. Wir blieben glücklicherweise nur kurz allein, sie
tat viele Fragen und klagt noch über die Einsilbigkeit meiner Ant-
worten. Ihr jetziger, vier Seiten langer Brief ist zwar bloß
Scherz und Schmeichelei, allein sie fragt, ob mir Briefe von ihr

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*) Rahel Varnhagen v. Ense, geb. 1771, † 1833.

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