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[   Band 6 Brief 14:    Caroline an Humboldt     Rom, 8. November 1817   ]


Gabrielle hätte. Aber wahr ist’s doch, was in dem Gedicht von
Lenz *) steht:
        Ach Männer, Männer, seid nicht stolz,
        als wärt nur ihr das grüne Holz.
        Der Weiber Güt’ und Duldsamkeit
        ist grenzenlos wie Ewigkeit usw.

Wir sind in Tivoli gewesen und vorgestern abend ziemlich spät
zurückgekommen. Unsere Maler waren mit uns, Lund, Rohden *),
Wach und Lengerich. Wir haben das Oktoberwetter im November,
himmlisch schöne, klare Tage.
Ich habe still in mich hineinlächeln müssen über alles, was
Du bei Gelegenheit Bülow sagst. Glaube mir, geliebtes Herz, daß
ich Dich nicht allein nie, in keiner Äußerung, in keiner Form Deiner
Natur mißverstehen kann, sondern nur ewig tief durchdrungen bin
von der Güte, Schonung und Liebe, mit der Du immer mich ge-
tragen, gepflegt, geliebt, mir nachgesehen hast. Nur in diesem
Anerkennen — ach, sonst in nichts — kann ich von niemand über-
troffen werden.
Es ist Dir aufgefallen, daß ich sagte, der Kanzler würde
Dich so spät wie möglich von sich lassen? Ach, wie sehr ich weiß
und sehe, in wie verwickelten und zum Teil unwürdigen Verbin-
dungen er befangen ist, so denke ich immer, müßte von innen
heraus ein Anklang seiner besseren Natur sich regen. Genug
darüber.
So lebe denn heute wohl! Liebe Deine Caroline.

———
*) Reinhold Lenz, geb. 1751,  † 1792, Dichter der Sturm- und Drang-
periode. Aus dem Gedicht: »Die Liebe auf dem Lande«.
**) Joh. Mart. v. Rohden, Landschaftsmaler, † 1868.
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