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[ Band 6 Brief 6: Humboldt an Caroline London, 18. Oktober 1817 ]
Ich habe seit einigen Tagen zuerst Geschäfte und habe einige Male mit Castlereagh *) zu tun gehabt. Hierin hat man hier unleugbar eine große Annehmlichkeit. Die Leute sind hier ernst und gründlich, und man ist immer sicher, Castlereagh über jeden Gegenstand, der es irgend verdient, vorbereitet und bereitwillig zu finden, in eine ordentliche Diskussion einzugehen, anzuhören, und mit durchdachten Gründen zu antworten. Von Gesellschaft habe ich bis jetzt eben nicht viel Anziehendes gefunden, und das dürfte auch ziemlich in der Folge so bleiben. Bei Münsters **) hat man jedoch wenigstens den Vorzug, immer mit Herzlichkeit empfangen zu werden und über alles sprechen zu können. Wie aber die Münster von England spricht, davon hast Du keine Idee. Mir ist nie so eine in ihrer Einheimischheit einge- fleischte Frau, die doch bestimmt ist, im Grunde immer in dieser Fremde zu bleiben, vorgekommen. Sie hat z. B. keinen einzigen englischen Bedienten, lauter Deutsche. Sollte Caroline herkommen und über England gesinnt bleiben wie sie war, so würden sie Chorus zusammen machen. Sie spricht den Engländern alle Sittlichkeit und Religion ab und wird nicht müde, die wunderbaren Sitten der Bedienten zu beschreiben. Wirklich ist es närrisch, wie die Departements im Hause hier verteilt sind. So reinigt das Haus- mädchen zwar alle anderen Tische in den Stuben, rührt aber um alles in der Welt keinen Mahagonitisch an, weil das eine Arbeit der männlichen Bedienten ist. Wir wohnen jetzt noch im Wirtshaus an einem großen schönen Platz, und da war es noch gestern nach einem kohlschwarzen Tag eine sehr sternenhelle Nacht. Überhaupt behaupten die Leute, daß ——— *) Geb. 1769, † 1822, seit 1812 englischer Minister des Auswärtigen. **) Ernst Friedrich Herbert Graf zu Münster, geb. 1766, † 1839, han- noverscher Staatsmann, Kabinettsminister in London. Seit 1814 vermählt mit Wilhelmine, Prinzessin von Schaumburg-Lippe, geb. 1783, † 1858. 19