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[   Band 6 Brief 5:    Caroline an Humboldt     Rom, 18. Oktober 1817   ]


Ich finde Deine Stelle im Brief göttlich, daß die meisten
Menschen ihr eigenes Wasser allen Flüssen des Paradieses vor-
ziehen. Leider ist es so. Die wenigsten Menschen haben den wahren,
tiefen Sinn für Gegenden, für die Natur überhaupt. Dann übt
auch die Gegenwart ein gewaltiges Recht über die Menschen aus,
und das muß wohl in der Natur des Menschen bedingt sein.
Furchtbar, ordentlich, gehört er dem Moment, und eine tiefe, wahre
Sehnsucht nach dem, was er nicht bringt, ist gewiß auch immer
die Anzeige von anderem Seelenvermögen.
Ich bin unterbrochen worden und muß, da die Post um 12 Uhr
heut geht, aufhören. Tausendmal umarme ich Dich, süßes, teures
Herz. Ewig Deine Li.

6. Humboldt an Caroline    London, 18. Oktober 1817

Ich erwarte mit großer Ungeduld Briefe von Dir, teuerstes
Herz. Du hast gewiß immer geschrieben, allein meines
Herumreisens wegen ist wohl das Ankommen der Briefe
noch nicht recht in Ordnung, und die See fügt noch zu der Unregel-
mäßigkeit hinzu. Es ist mir manchmal sehr trübe in Sehnsucht
nach Dir, teures Kind. Die Zeit, bis Du kommen kannst, ist schon
sehr lang. Aber es ist mir noch gar nicht klar, wie es mit Caro-
linen werden wird. So herzlich ich mich auch freue, daß es besser
mit ihr geht, so ist es doch noch keine vollkommene Wiederherstellung,
und sie ohne diese hierherzubringen, halte ich wenigstens für sehr
mißlich. Dazu kommt, daß, soviel ich bis jetzt habe erfahren
können, gar kein deutscher Arzt hier ist. Ich bin aber ganz ent-
schlossen. Kannst Du nicht kommen, so fordere ich schlechterdings
im künftigen Herbst meine Zurückberufung.

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