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[ Band 6 Brief 2: Humboldt an Caroline London, 10. Oktober 1817 ]
ist wirklich ein wahres Unglück, daß die Wege in England so gut sind, und man so schnell fortkommt. Alles Hin- und Herreisen wird nun ebenso wie in Berlin eine Fahrt nach Potsdam behandelt. Die Berg grüßt Dich sehr und ist immer gut und verständig. Wie arg es [die Verliebtheit] mit Bülow ist, hat er mir noch neulich bewiesen. Er erzählte mir, daß eine Berlinerin sich bei ihm gemeldet habe, um bei mir zu dienen und Aufsicht über die Wäsche zu haben. Ich frage in aller Unschuld, wie ich es auch bei einem Mann getan hätte, wie sie ausgesehen hätte! Bei aller sonstigen Höflichkeit aber fuhr er mich ordentlich an und versicherte, er habe sie gar nicht angesehen. Ich schwieg ganz still und habe auch weiter nicht von der Person zu sprechen gewagt, ob sie mir gleich nützlich sein könnte. Aber in mir habe ich wie Goethes Maler gedacht: Erbarm Dich Gott des armen Herrn! Nicht einmal einer Kammerjungfer können sie mehr ins Gesicht sehen. Im Ernst zu sagen, liebe ich bei jungen Leuten diese Enthaltsam- keit, sie stamme von Religiosität, Sittlichkeit oder Verliebtheit her, sehr, und wirklich ist die jetzige Zeit besser darin, als die vor 20 Jahren war. Allein gestehen muß man auch, daß es Mäßigkeit im Verlangen, natürlich feines Gefühl und Selbstbeherr- schung voraussetzt, wenn es nicht einer Frau soll mitunter sehr lästig werden können. Denn in dieser Art zu fühlen geht Phan- tasie, Empfindung, Anschauung des Schönen und Individuellen, alles am Ende in dem Begehren auf, das man nicht geistig nennen kann, und das immer zu selbstisch ist, um das zarte Gefühl eines Weibes, die, bei der innigsten Liebe zum Mann, doch manchmal gerade dies nicht wollen, oder anders wollen kann, wieder mit Liebe zu schonen. Ja, selbst wenn das nicht ist, geht das Feinste und Schönste in dem sich selbst nicht bewußt werdenden Genusse verloren. Es ist wirklich sehr wahr, daß es in mir durchaus anders ist; dem was in mir Liebe ist, mischt sich nichts irgendeiner Bedürf- 11