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[ Band 5 Brief 175: Humboldt an Caroline Breslau, 8. August 1817 ]
wie ich und wollen nur manchmal Luft haben. Da wissen sie nun schon meine Manieren so gut, daß sie an das Fenster kommen, so wie ich es aber herunterlasse und denke, sie sollen ins Freie gehen, so drehen sie listig wieder zum Wagen um. Zwei, die mir heute zur Gesellschaft geblieben waren, haben es wohl dreißigmal so gemacht. Das Wetter ist himmlisch, nur die ersten zwei Tage haben wir einige Regenschauer gehabt, nachher ganz heitern wolken- losen Himmel und die schönste Sonne. Gestern ging sie ganz ohne Wolken in dunkelroter Glut unter. Ich habe dabei unendlich an euch gedacht. Aus dem Albaner Felde habe ich so oft sich die ganz reine volle Scheibe ins Meer senken sehen, hier ist es sehr selten. Am zweiten Tag kamen wir bis Dresden. Vor der Madonna so vorbeizureisen ist schrecklich und bricht einem das Herz. Aber ich konnte nicht anders, auch möcht’ ich jetzt in Sachsen nicht ver- weilen. Wir kamen um 10 Uhr an und fuhren um 5 wieder am anderen Morgen fort. Den dritten Tag waren wir in Görlitz, einem recht hübschen Städtchen. Gestern brachten wir die Nacht in Liegnitz zu. Der Staël ihren Tod wirst Du wissen. Er hat mich doch geschmerzt; allein die Frau war so unruhig im Leben, daß ihr vielleicht da wohl ist, wo, wie ich neulich in der Bibel las, die ruhen, die viel Mühe gehabt haben. Es ist ein unbeschreiblich schöner Ausdruck, dies: viel Mühe gehabt haben. Wohl hat man viel Mühe, und man kann das ganze Leben eine Mühe nennen, da immer neun Zehnteile so die Äußerlichkeiten betreffen, die man gar nicht mag und den allein schönen Überrest verkümmern, selbst wenn sie ihn nicht verbittern. Gute Nacht, mein allerteuerstes Herz! Schlafe wohl in Ischia und denke an mich Unglücklichen in der Goldenen Gans. Kein Ehepaar auf der Welt kann zu gleicher Zeit so prosaisch und 372