< zurück      Inhalt      vor >                                          
[   Band 5 Brief 174:    Caroline an Humboldt     Lacco, 1. August 1817   ]


Wir gingen letzt hinauf, der Aussicht zu genießen, und gerieten in
eine Art Park. Blühende Myrthen, ganze Wälder voll, blühende
Granatbäume, baumhoher Kaktus und Aloe, alles in reizender Ver-
wirrung durch- und nebeneinander. Der Fußweg schmal am Rande
des Berges, und in der Nähe das saphirblaue Meer. Wir ritten
auch letzthin nach Ischia und bestiegen die Festung, die auf einem
abgesonderten Felsen am Meere liegt, die Zugänge sind in die
Felsmassen eingesprengt. Man kommt von der Stadt durch einen
künstlich gemachten Damm von Lava bis zu dem Felsen. Die
Aussichten sind einzig und verschieden auf jedem Punkt. Von
Ischia aus sieht man das wunderbar gestaltete Capri, wo Tiber
hauste, und die Gegend ist so schön und groß, daß, wenn ich bloß
meinem Vergnügen nachginge, ich acht Tage in Ischia wohnte.
Nun Adieu, einzig liebes teures Wesen!


175. Humboldt an Caroline                Breslau,  8. August 1817

Ich habe Dir in einigen Tagen nicht schreiben können,
liebe Li. Wir sind seit unserer Abreise aus Burgörner
Tag um Tag unterwegs gewesen und erst den fünften
Tag hier angekommen. Ich bin immer allein gefahren. Ich habe
es mit der Hitze (ich mache gar kein Fenster auf) so weit gebracht,
daß die Fliegen selbst ganz matt werden und nach einer halben
Stunde ans Fenster kriechen und mich ansehen, ob ich nicht auf-
machen will. Ich lasse dann gnädig das Fenster einen Augenblick
nieder und sie fliegen heraus. So komme ich nach und nach zu
einer absoluten Einsamkeit. Die Fliegen kehren aber manchmal
um und setzen sich von außen ans Fenster, vermutlich aus Neu-
gierde, um zu sehen, ob ich noch lebe. Denn Du glaubst gar nicht,
was die Tiere für Verstand haben. Einige lieben die Wärme

                                                                       371