< zurück Inhalt vor >
[ Band 5 Brief 174: Caroline an Humboldt Lacco, 1. August 1817 ]
fällig; eine weibliche Figur, deren Gewand gerade vom Kopf her- unterfällt, ein kolossales Kreuz tragend, vielmehr haltend und eine Strahlenkrone um das Haupt. Die Figur auf Rezzonicos Grab- mal, die Religion vorstellend, liegt auch dieser zugrunde. Soeben erfahre ich den Tod der Frau von Staël. Nähere Umstände weiß ich nicht. Höchstens kann sie 50 Jahre geworden sein. So ist wieder eins der Wesen, mit denen man zu leben gewohnt war, in das stille Reich übergegangen. Ihre Freunde schmerzen mich bei ihrem Verlust, besonders Rocca *). In Schlegels **) Existenz wird dieser Tod einen gewaltigen Riß machen. In finan- zieller Hinsicht kann er ihn sogar in große Verlegenheit setzen, sie müßte ihn denn mit einem Legat bedacht haben, was mir indessen sehr zweifelhaft ist. Was Frau von Staël betrifft, so freue ich mich, daß sie nicht den Tod Roccas erlebt hat, mit dem das Schicksal ihr immer drohte, denn er ist brustkrank im höchsten Grade. Tieck arbeitet in Carrara an einer Statue Neckers, von der Rauch, wie überhaupt von Tiecks Arbeiten, außerordentlich viel Gutes sagt. Von Burgörner und dem Bau freue ich mich durch Dich und Bülow zu hören. Du wirst darüber lachen, daß ich unter Laubengängen von Reben und hohen Hecken von Aloe und Kaktus an Burgörner denke. Es ist aber doch so und ist mir ein sehr lieber und stiller Ort. Ja, hier gibt’s Stellen, wo man sich in einem anderen Weltteil dünkt, so südlich fremd sieht es aus. Schon die Form der Häuser, das Verstreute der Wohnungen, die ganz glatten Dächer, platt wie ein Estrichfußboden, haben etwas ungemein Frappantes. Da steht ein Berg uns gegenüber, von dem wir nur durch ein schmales Tal getrennt sind, Monte di Vico. ——— *) Mit dem sie heimlich verheiratet war. **) August Wilhelm v. Schlegel, geb. 1767, † 1845, hatte von 1804 ab fast beständig bei Frau v. Staël gelebt. 370