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[ Band 5 Brief 173: Humboldt an Caroline Burgörner, 3. August 1817 ]
Ich war heute sehr lange auf dem Kirchberg, der Himmel war bedeckt, kein Lüftchen regte sich, beim Untergehen brach die Sonne durch mit rotgelbem Licht, und bald darauf regnete es, so daß ich herunter ging. Wann ich den lieben Berg wiedersehen werde? Ich schreibe Dir hier einige Strophen, die ich machte, die Du für das nehmen mußt, was sie sind, für eine wahre und innige Empfindung, die sich im Gehen zu diesen Zeilen gestaltete. Ade! Ade! ihr lieben Fluren, o bleibet mir getreu! Erhaltet meiner Liebe Spuren, in mir ja ist sie ewig neu. Hier hat die Hehre, Holde geliebet mich zum erstenmal, die, wie mit Morgensonnengolde, umstrahlte dies geliebte Tal. Darum von allen auf dem Erdenrunde, vom Morgen- bis zum Abendglanz, bleibt teuer bis zur letzten Stunde mir dieser Hügel stiller Kranz. Wohl mag die Sonn’ ihm dunkler scheinen und Nebel oftmals sie umziehen, der Mensch auch muß oft menschlich weinen, und Wonn’ und Jugend kann nicht ewig glühen. Es strahlet weit das Herrliche und Schöne und weckt das staunende Verlangen, doch daß die Brust sich heimisch dran gewöhne, hält gern sie engrer Kreis gefangen. Was tief das Herz in Frieden wieget und Wonne beimischt süßen Sorgen, was ew’ger Sehnsucht immer neu genüget, lag hier mir wie ein Schatz verborgen. Oh, möcht’ auch mir in kühler Erde Bette zu ruhen hier einst sein vergönnet, da heiliger und süßer keine Stätte seit meiner Jugend Tagen ich genennet. 368