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[   Band 5 Brief 154:    Humboldt an Caroline    Berlin, 9. Junius 1817   ]


Lebens beruht. Das bist einzig Du und was sich an Dich an-
knüpft in meinem ganzen Sein. So lebe ich viel, viel mehr, als
Du selbst es je wissen kannst, in Dir und habe auch ferner alles
Glück durch Dich. Ich wache jetzt meist um 6 auf und stehe nicht eher
als um 8 auf. Da liege ich und denke mir stundenlang ewig und
ewig die teuren, lieben, süßen Augen, die himmlischen Züge, in
denen ich so alles lese, was mein Leben verschönt, die treuen Hände,
die mich mit einer Innigkeit drücken und umfassen, wie keine Frau
auf Erden mehr sie hat. Sei also ja nicht besorgt um mich. Es
wird mir nichts schwer und nichts mühevoll. Du trägst mich durch
alles und hebst mich über alles empor.
Adieu! umarme alle.


155. Caroline an Humboldt                       Rom, 11. Junius 1817

Meine teure und geliebte Seele!
Ich fand gestern, wo ich gegen 2 Uhr von einigen Besuchen
zurückkam, Deine Nummer 9 und 10 mir von Niebuhr
zugesendet, und Du kannst denken, daß es kein kleines
Fest war. Gabrielle, die zu Hause geblieben war, stand schon an
der Treppe, in jeder Hand einen Brief hoch mir entgegenhaltend.
Sie ist sehr sehnsuchtsvoll und sehr verliebt und dadurch, weil die
Empfindung tiefer Liebe und Sehnsucht in sich zurückführt, freilich
etwas weniger teilnehmend an den äußeren Gegenständen der
Kunst und der Natur, denn noch ist die Empfindung zu neu, zu
ungewohnt, das Leben ihres Geistes zu wenig erwacht, als daß
aus allem ein Ganzes in ihr zusammenschmölze. Allein es wird
werden. In Gabrielle ist ein Schatz von Liebe und Innigkeit,
und hat den die Natur in ein weiblich Gemüt gelegt, so hat sie
alles dafür getan.
August und Adelheid sind mit ihrem Aufenthalt und der

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