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[ Band 5 Brief 155: Caroline an Humboldt Rom, 11. Junius 1817 ]
Reise sehr zufrieden. August hat recht viel Sinn für die großen Werke der Kunst, recht viel für die Natur, weniger für das Un- beschreibliche, Unausdrückbare, worin die Eigenheit eines Landes besteht. Aber es würde auch das kommen, wenn er länger hier bleiben könnte. Ein volles Jahr bliebe er doch, glaube ich, sehr gern, wenn es sich tun ließe. Die großen Monumente der Geschichte reizen ihn ungemein, alles verwebt sich ja hier so zauberisch, daß es seinen tiefen Anklang in menschlichen Gemütern nicht verfehlen kann. Den 30. Juni denke ich abzureisen, wir werden mehrere Wagen sein und überdem Eskorte nehmen. Du brauchst Dich nicht zu ängstigen, meine süße, liebe Seele, ich versäume gewiß nichts, was die Vorsicht wahrhaft erheischt. Ich freue mich nicht so zu Neapel wie zu Rom. Nur dies ist mir eigentlich ganz heimisch. Doch soll auch Ischia ein Paradies sein. Ach, wenn es Carolinen wiederherstellt, so soll es mir das gelobte Land sein. Ach, rühre mich aber nicht so, indem Du bittest, Dich nicht zu vergessen und zu bedenken, daß Du da bist, wo es arm und dunkel ist. Bin ich doch nur in der Welt der Schönheit und der Fülle durch Deine unendliche Güte, und wer kann mehr wie ich von ihr durchdrungen sein, wer, süßes Leben, kann tiefer Dich kennen als die, die mit jedem Atemzuge Deine Liebe, Deine Schonung, Dein mildes Tragen und Verzichtleisten auf eigenen momentanen Genuß erfahren und in sich eingesogen hat. Ich will solche Liebe nicht gegen die halten, die ich in anderen sehe und um mich erfahre. Sie steht über ihr wie das mild ausströmende Licht des Himmels über dem Licht irdischer Flammen. Ach, sie zieht auch dahin, wo Licht und Liebe gewiß eins werden, in höchster Wonne gewiß zusammenschmelzen, wohin wir uns sehnen und wohin die ewige Güte uns geleiten wird. 331