< zurück      Inhalt      vor >                                          
[   Band 5 Brief 154:    Humboldt an Caroline    Berlin, 9. Junius 1817   ]


sie es ganz bequem abschöpfen könnten. Dann hat er über meine
Dotation gespottet, getadelt, daß man Geschenke nähme, gesagt,
was ich im Jahre 1813 getan hätte, wäre doch nur Zufall gewesen.
Mich kümmert das alles sehr wenig, ich habe nie etwas auf
die Leute und ihr Urteil gegeben. Ich erzähle es Dir nur so,
weil es immer närrisch ist, von sich selbst so reden zu hören. Wer
auf den Dank der Leute rechnete, wäre immer schlimm daran, und
selbst der allgemeine Beifall, auch was man Ruhm nennt, hat
nur Wert, wenn man es ganz wie eine freie Gabe empfängt und
auf keine Weise darauf begierig ist. Es ist schrecklich, wie alle
diese Menschen, die so reden, in die Wirklichkeit und alle ihren
Wust vertieft sind. Wenn sie einmal wüßten und fühlten, wie
jeder unabhängige Gedanke, jedes tiefere Gefühl, jede Stunde Ein-
samkeit mir unendlich mehr wert ist als alles ihr Reden, Tun
und Treiben und selbst alles, was ich auf diese Weise mache, und
wie ich darum doch sicherlich mehr Anteil am Staat nehme als
sie, so würde es ihnen ganz neu und unverständlich vorkommen.
Eure Reise scheint sehr gut zu gehen, ich finde, Du reisest
sehr geschwinde. Doch begreife ich, daß Du nach Rom hineilst.
Könnte ich da sein mit Dir! Ob ich es wohl je wiedersehe? Es
ist mir sehr zweifelhaft, aber manchmal kommt mir wenigstens das
als gewiß vor, daß, wenn ich es wiedersähe, ich auch nicht wieder
davon schiede. Wenn ich meinen Tod voraus wüßte, ginge ich
gewiß hin, dort zu sterben, und ruhte da mit den lieben Kleinen.
Es ist allerdings kein sehr liebliches noch fruchtbringendes Leben
hier. Aber Du kennst mich, ohne leichtsinnig zu sein, bleibe ich
ruhig, selbst heiter, und die Zeit rinnt dahin und bringt mich ja
wieder zu Dir. Was mich immer durch jede Epoche des Lebens
so führt, ist, daß ich eigentlich ewig in mir und meinen inneren
Gedanken lebe und in diesen immer das festhalte und mir unter
tausend Gestalten zurückführe, worauf eigentlich das Glück meines

                                                                       329