< zurück      Inhalt      vor >                                          
[   Band 5 Brief 151:    Caroline an Humboldt     Rom, 3. Junius 1817   ]


treffen mußten ehe solch ein Reichtum zusammengebracht und in
ernster, hoher Stille und Größe prangen konnte.
Nachmittags machte ich und empfing einige Besuche. Heute
waren wir in Thorwaldsens und in Canovas Studium, beide
überfüllt. Thorwaldsen ist sehr fleißig gewesen. Sein Fries, der
Einzug des Alexander in Babylon *), ist meiner Empfindung und
Urteil nach das Allervollkommenste, was je in neuerer Zeit ist ge-
macht worden. Wie noch keiner von den reichen Engländern ihn
hat in Marmor ausführen lassen, begreife ich nicht. Thorwaldsen
glaubt mit 12 000 Scudi, also 20 000 Talern ihn machen zu können.
Reuter sind drauf wie auf den griechischen Basreliefs, und ein
Leben, eine Bewegung, eine so tief verstandene Gruppierung und
Entgegenstellung der Figuren. Alexander kommt in die Mitte
eines Stücks zu stehen, die Siegesgöttin führt die schäumenden
Pferde, gewaffnete Krieger folgen ihm, entgegen tritt die Göttin
des Friedens mit dem Ölzweig und dem Horn des Überflusses, und
beinah unter ihren Flügeln treten die ersten Kinder aus der Stadt,
die ihr Vater geleitet, und die den Zug eröffnen. Nein, Schöneres
in Basrelief gibt es nicht. Nächstdem hat er eine Hebe, einen
singenden Amor, viel Basreliefs, mehrere Porträtstatuen, mit
einem Wort sehr viel gemacht. Vier Studien stehen voll am
vicolo della catena, piazza Barberini.
Von Thorwaldsen aus gingen wir zu Canova, es war mir
lieb, die beiden gleich nacheinander zu sehen, und ich bestätigte
mich in meinem früheren Urteil. Eine schöne Gruppe, die drei
Grazien, hat Canova gemacht. Sie ist an Eugen Beauharnais
verkauft. Er hat das Modell zu einer großen Figur, die Religion
vorstellend, gemacht, die er 32 Palmen hoch (größer wie die Statuen
von Monte Cavallo) ausführen und dem Papst schenken will. Sie

———
*) Jetzt in der Villa Carlotta am Comer See.

                                                                       320