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[ Band 5 Brief 137: Humboldt an Caroline Frankfurt, 26. Julius 1816 ]
137. Humboldt an Caroline Frankfurt, 26. Julius 1816 In Karlsbad muß es wirklich sehr langweilig sein, wie ich es immer behauptet habe. Ich müßte wirklich erst besonders matt von Krankheit werden, wenn ich es je brauchen sollte. Jetzt klagt alles über Langeweile, Du, der Staatskanzler, Jordan, die Cüstine. Ich begreife nur nicht, warum Ihr euch nicht untereinander amüsiert. Sage ihnen nur das. Wenn ich da wäre, würde das die Partie sein, die ich ergriffe. Es hilft nichts so gegen den Ennui, als sich auf einmal zu amüsieren. Hier bei mir ist es gar nicht so weit gekommen, daß man Langeweile und Amüse- ment unterscheiden könnte. Das Leben hat hier nur eine Farbe und schleicht so hin. Wenn Du hier bist, amüsiere ich mich immer. Denn ich habe eine solche Sehnsucht, die lieben Züge Deines Gesichts zu sehen, daß ich mir jetzt nichts denke als dies. Das stille An- schauen dessen, was man liebt, ist das Höchste im Leben und hat eine wahrhaft himmlische Kraft. Wegen eines Klaviers und Singens wenigstens habe ich mit Flemming gesprochen, der nie einen Tag verlebt, ohne über eine Gitarre oder Flöte zu spielen oder zu pfeifen, eine Musikgattung, die er ganz eigen geschaffen haben soll. Er wird Rat schaffen. Die Cüstine wird Dir sagen, daß er ganz eigentlich viel Talent für die Musik hat. Überhaupt ist recht viel Genialisches in ihm, und es tut mir leid, daß er vermutlich nach Brasilien geht. Doch paßt es wieder auch für ihn, und individuell für ihn ist es besser als eine gewöhnliche europäische Gesandtenstelle. Er freut sich sehr auf Deine Ankunft. Du sagst beim Agamemnon, daß ich zu nachsichtig gegen alles Eigene bin. Das ist aber eine glückliche Eigenschaft. Man fordert dann nichts von andern und hat darum alles, sonst immer wenig. Mit der Übersetzung hast Du gar nicht unrecht. Die gelbe Ausgabe 292