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[ Band 5 Brief 117: Humboldt an Caroline Frankfurt, 9. Junius 1816 ]
greife eigentlich nicht, wie man so leben kann. Mir fällt, und nie ohne innere wohltätige Wirkung, bei jedem bedeutenden Vorfall eine Stelle eines Alten ein, viel öfter als ich’s sage. Manche Verse aber sind mir auch nach so vielem Lesen wie neu, und als hätte ich sie nie gekannt. So ist mir einer aus dem 24. Buch so aufgefallen, daß er mir gar nicht aus der Seele kommt. Τλητὸν γὰρ μοῖραι δυμὸν δέσαν ἄνδρώποισι, denn duldsames Ge- müt verlieh den Menschen das Schicksal. Es ist eine unglaubliche Wahrheit und Tiefe darin. Lebe wohl, meine teure, einziggeliebte Li. Ewig Dein. 118. Caroline an Humboldt Hof, 11. Juni 1816 Mein teures Herz! Wir sind den 8., wie ich es Dir schrieb, aus Burgörner ab- gereist und sind heut um 2 Uhr nachmittags hier ohne alle weitere Unfälle angekommen, obgleich es zwischen Naumburg und Gera ganz unglaublich schlimme, ausgefahrene Wege gibt. Der alte Reisewagen hat sich trefflich gehalten, und der Himmel wird ja geben, daß er uns übermorgen glücklich nach Karlsbad bringt. Sonnabend kam ich mit den Kindern ziemlich spät in Pforta an. Ilgens empfingen uns mit ganz außerordentlicher Liebe und Freude. Von ihrem unangenehmen Vorfall wegen des geglaubten Adels erwähnte sie nichts, so ließ auch ich es unberührt. Er schickt tausend fromme Wünsche zum Himmel, daß Du Minister des Kultus werden möchtest. Von Berlin aus wird er jetzt fürchterlich ——— *) Ilias XXIV, 49. 259