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[ Band 5 Brief 117: Humboldt an Caroline Frankfurt, 9. Junius 1816 ]
die selbst bei ihnen nur augenblicklich sein mögen, aufs Spiel setzen. Wenn Du Dich erinnerst, ehe wir nach Spanien gingen, und gleich darauf, als wir wiederkamen, waren auch solche Lumpen- auftritte und Verschwörungen von ganz unbekannten, dunklen Menschen. Aber da die Grenobler Sache eine solche Wendung genommen hat, so ist sie unstreitig ein großes Glück, und so ist es vielmehr besser, daß sie geschehen als unter- blieben ist. Sie hing mit ähnlichen Planen an mehreren Orten zusammen, daß sie hier gedämpft und durch blutigen Wider- stand gedämpft wurde, macht sicher großen Eindruck und hindert nun ähnliche Ausbrüche. Frankreich ist in einer Lage, in der nur ein sehr großer Charakter und ein sehr großer Geist wahrhaft retten, die Ruhe wahrhaft schnell herstellen und dauernd erhalten könnte. Wo findet sich der jetzt in ganz Europa? Er ist immer selten und einzig. Allein auch so wird es gehen. Ich glaube nicht an solche Unruhen, die eigentlich die Verbündeten zum Mithandeln zwängen. Man kann sich in so etwas irren, aber meine Meinung ist es. Ich danke Dir, liebe Seele, daß Du in Leipzig an Hermann gedacht hast. Er ist etwas leutescheu. Ich weiß, seit er mir die Einleitung schickte, auch nichts von ihm und dem Agamemnon. Ich habe aber immer eine große Geduld in so etwas. Ich habe kürzlich wieder die ganze Iliade durchgelesen. Es ist unglaublich, wenn man den Homer, so wie ich, seit seinem 16. Jahre liebt und ewig wieder liest, wie sich das Leben in einzelne Verse verwebt. Es sind eine unglaubliche Menge, bei denen ich mich dieser oder jener Zeit, dieser oder jener Empfindung erinnere, wo sie mir lebhaft und immer zu meinem Heile vorschwebten. Ehemals ging es den meisten Menschen so mit der Bibel. Jetzt sind viele, die weder die Bibel noch den Homer so haben und gar nichts, was so aus dem Dunkel der Jahrhunderte aufsteigt und durchs ganze Leben zieht. Ich be- 258