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[   Band 5 Brief 113:    Caroline an Humboldt     Burgörner, 31. Mai 1816   ]


Montag schreibe ich wieder, heute umarme ich Dich, die Kinder
grüßen, und ich bin ewig Deine Li.


114. Humboldt an Caroline                 Frankfurt, 28. Mai 1816

Ich habe einen Posttag überschlagen, liebe Li. Ich hatte
unglaublich viel zu tun; es waren so von den Tagen,
in welchen manchmal wie durch eine magisch feindliche
Kraft alles auf einmal zusammen kommt. Auch habe ich den
großen Kampf mit Darmstadt gekämpft, das sich sehr weigerte, die
Wittgensteins abzugeben, ohne mehr dafür zu bekommen. Indes
ist es gegangen und die Sache so abgemacht, daß nicht leicht neue
Schwierigkeiten entstehen können.
Kunth kam leider gerade in den Tagen, wo ich fast keine
Stunde für mich hatte. Den Tag seiner Ankunft fand er mich
um 6 Uhr am Tisch. Man ißt hier gewöhnlich um 2, aber ich
hatte eine siebenstündige Konferenz gehabt, über die hier viel ge-
scherzt wird und wo man behauptet, ich hätte die Leute mürbe und halb
tot gemacht, und die andern zwei Tage, die er hier war, ging es
nicht viel besser. Doch hat er immer bei mir gegessen und ist dann
einige Stunden den Nachmittag geblieben. Bei seiner weitläuftigen
Manier zu erzählen und zu reden, spricht man in vielen Stunden
doch wenig ab. Bei Tische waren wir auch nicht allein. Auf
diese Weise haben wir über mein Vermögen, meine Geschäfte und
Tegel kaum einige flüchtige Worte gesprochen.
Die Varnhagen unterrichtet die Cüstine im Deutschen. Über-
haupt ist unter diesen beiden eine engere Freundschaft entstanden,
als ich mir gedacht hätte. Mit der Schlegel dagegen geht die Cüstine
gar nicht um. Seit Steins auf das Land gegangen sind, was
nun ein paar Wochen her sind, lebe ich noch einsamer als sonst.

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