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[ Band 5 Brief 106: Humboldt an Caroline Frankfurt, 10. Mai 1816 ]
Der Graf Hochberg *), der hier durchgekommen ist, erzählt, der Kanzler ginge in der Mitte des Junius an den Rhein, die Rhein- provinz zu durchreisen. Bisher aber hörte ich immer, er und der König kämen erst nach der Badereise hierher. Mir wäre es um- gekehrt lieber, weil ich dann den Kanzler noch hier zu sehen Hoff- nung hätte. Mich soll wundern, ob Du ihn noch einmal ordentlich allein sprechen wirst vor Deiner Abreise. Er täte es gewiß gern, aber das ist das einzige, was ich an ihm nicht gern habe, daß er sich nie so einrichtet, Zeit übrig zu haben. Es kann kein Geschäft ohne Muße gehen. Lebe wohl, mein einziges süßestes Leben. Ewig Dein. 107. Caroline an Humboldt Berlin, 11. Mai 1816 Es heißt, es geht heute ein Kurier, der Feldjäger Sonnen- burg, der die Kiste mit Silber bringen sollte. Ob’s wahr ist, wird sich zeigen, ich schreibe indessen mit der Post, soweit die arge Packerei im Hause es gestatten will, denn ich schicke eben eine Fuhre nach Tegel. Man ist nie reicher als wenn man auszieht. Mein lieber Hermann ist fort. Ach, das Haus ist sehr, sehr einsam und still seitdem geworden. Seine Fassung hielt sich bis zur letzten Umarmung, wo ihm Tränen in die Augen kamen, aber kein Widerspruch, kein Wunsch, mit mir fortzureisen. Alles ging ohne heftigen Kampf, ohne Kampf eigentlich über. Wie doch Kinder sind! Am Abend, beim Zubettegehen, konnte er sich nicht von mir ——— *) Leopold, geb. 1790, † 1852, Sohn des Großherzogs Karl Friedrich aus der zweiten Ehe mit Luise Geyer von Geyersberg, wurde durch Dekret vom 4. Oktober 1817 als ebenbürtig anerkannt und 1830 Großherzog von Baden. 244