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[ Band 5 Brief 104: Humboldt an Caroline Frankfurt, 30. April 1816 ]
würdiges getan haben mag, von mir Dir der Dank gebührt. Aber auch — basta, wie Du sagst, denn man schriebe sich nie aus darüber. Den Judenhaß der Adelheid vergleiche ich gar nicht mit dem Deinen. Den kann ich mir vorstellen. Er hat alles, was eigentlich neue Christen haben. Ich ergebe mich auch ganz darin, mit dem alten Glauben den Kürzeren zu ziehen, man kommt dagegen nicht auf. Ich liebe aber eigentlich auch nur die Juden en masse, en détail gehe ich ihnen sehr aus dem Wege. Varnhagen, der mit seiner Frau eine Zeitlang bei Tettenborn *) in Mannheim war, ist zurückgekommen, und sie haben sich auch in die wunderbaren Gebäude logiert, die ich bewohne, und die man den Mohrengarten nennt. Das ist sehr nah! Ich bin einmal bei ihr gewesen und lasse es nun dabei bewenden. Sie ist furchtbar häßlich geworden. Man begreift gar nicht, warum das manchen Leuten geschieht. Das Grün kommt jetzt mit Macht, und der Schatz **), wie immer Caroline sagt, hat wirklich die Spaziergänge rund um die Stadt überaus hübsch gemacht. Ich gehe sehr viel und wenigstens täglich einmal aus. Es unterhält und stillt nichts so die Sehnsucht als der Blick ins Freie und Blaue. Es hat mich sehr amüsiert, daß Du sagst, daß die Kaiserin nun Trautmansdorff nicht mehr aimable zu finden braucht. Es ist sehr wahr, nur leider hatte sie keinen rechten Widerwillen am Gewöhnlichen und Gemeinen. Überhaupt sollte man nicht von den Toten reden, allein diese war, das habe ich immer empfunden, nicht recht in der höheren Sphäre der Gedanken und Empfindungen, und auch nicht recht passend für die Dinge der Welt. Sie hatte ——— *) Friedrich Karl Freiherr v. Tettenborn, geb. 1778, † 1845, russischer General in den Freiheitskriegen. Später in badischen Diensten, Unterhan- delte in den Grenzstreitigkeiten zwischen Baden und Bayern. **) Dalberg als Großherzog von Frankfurt. Vgl. Bd. I, S. XV—XVII. 236