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[   Band 5 Brief 78:    Caroline an Humboldt     Berlin, 31. Januar 1816   ]


Eben das ist’s, was den Wunsch, ihm nahetreten zu können, zu
dürfen, schmerzlich macht.
Gneisenau hat an seiner Popularität, hör’ ich, durch seine
unbegrenzte Eitelkeit verloren. Es gibt Leute, die behaupten, diese
ginge bis zu einer Art Narrheit. Man gibt ihm hier die aller-
weitaussehendsten Plane schuld. In einigen Jahren könnte das
Reiferwerden des Kronprinzen doch auch eine ganz andere Konstellation
hervorbringen. Wenn erst die Schwester *) und Prinzeß Friederike *)
weg sein werden, die ihm die Kindheit noch gar zu sehr verwirklichen,
so wird sich sein Geist viel mehr zum Ernsten wenden. Ich zittere
vor dem Augenblick hier, wo der Staatskanzler einmal die Augen
schließen wird, denn es kriecht sehr vieles hier im Dunkel lichtscheu
umher.
Wer wohl am allermeisten hier gehaßt wird, ist der Finanz-
minister. Untergebene sowohl als alles, was nur seinen Namen
nennt, detestiert ihn und gibt ihm Leichtsinn und Despotie zugleich
schuld.


79. Humboldt an Caroline                       Frankfurt, 2. Februar 1816

Augusts und Adelheids Passion für Tegel ist mir zwar an
sich sehr lieb, allein im Winter sollte August nicht sich
der freien Kälte so aussetzen. Es kann ihm wirklich leicht
schaden, und in der Tat bin auch ich für seine Gesundheit besorgt.
Auch das ist mir bei Heiraten von so ungleichem Alter immer ein
peinlicher Gedanke, daß nun vermutlich der eine den andern sehr
lange überlebt. Wenn man sich wirklich liebt, kann man es nicht

———
*) Prinzessin Charlotte und Prinzessin Friederike von Preußen geb. 1796,
† 1850, Tochter des Prinzen Louis, des Bruders Friedrich Wilhelms III.
und der Prinzessin Friederike von Mecklenburg-Strelitz, Schwester der Königin
Luise, verm. 1818 mit dem Herzog Leopold von Anhalt-Dessau.

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