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[ Band 5 Brief 77: Humboldt an Caroline Frankfurt, 26. Januar 1816 ]
weißt, daß er gar nicht sonderlich gut seit dem Prager Kongreß mit mir war, und plötzlich schreibt er mir ohne alle Veranlassung einen freundschaftlichen Brief von vier Seiten, der anfängt: »J’ai été habitué trop longtemps à passer des mois, des journées et surtout des soirées avec Vous pour ne pas sentir un grand vide dans mes alentours« usw. Ist Altenstein je bei Dir gewesen? Er ist sehr gut, gehört aber nicht zu den Amüsanten. 78. Caroline an Humboldt Berlin, 31. Januar 1816 Mein liebes Herz! Gestern abend empfing ich durch einen Feldjäger Deine lieben Zeilen vom 27. Er schickte mir den Brief herein, ich aber ließ ihn bitten, selbst hereinzutreten, weil es mir lieb war, einen Menschen zu sehen, der Dich vor kurzem verlassen hat. Das tat er denn auch auf einen Augenblick. Nachher, wie ich Deinen Brief öffnete, war es mir unendlich rührend, daß ich, wie von einer inneren Ahndung ergriffen, dasselbe empfunden hatte, wie Du es schöner in Deinen lieben, wehmütigen Zeilen ausdrückst. Nun, bald hoffe ich ja, sind wir wieder zusammen, mein teures, treues, geliebtes Herz. Es hat sich allerdings manches nicht bestätigt, was man über Erwartungen des 18. hörte. Dein Urteil über Ancillon teilen alle rechtlichen Menschen hier. Jemand hat mir erzählt, daß der Staats- kanzler gekränkt und empfindlich war, als er ihm seine Mißbilligung des Verbots des »Rheinischen Merkurs« und der Bekanntmachung in der hiesigen Zeitung wegen der geheimen Verbindungen nicht ver- heimlichen konnte. Ich begreife das auch sehr gut, begreife, wie dem edlen Mann zugesetzt wird, und welch ein Mittel, zu der Wahrheit zu gelangen, entgeht ihm schon allein durch sein schweres Gehör! 179