< zurück Inhalt vor >
[ Band 5 Brief 68: Humboldt an Caroline Frankfurt, 22. Dezember 1815 ]
Ich weiß nicht, ob Du in den Zeitungen bemerkt hast, daß ein mémoire von mir über die Friedensunterhandlungen im »Morning chronicle« wörtlich abgedruckt ist. Ich habe es noch nicht selbst gelesen und kann es auch nicht vergleichen, da ich meinen Aufsatz, da ich auf diese Art von Schriftstellerei wenig Wert lege, nicht bei mir habe; der Abdruck ist mir aber sehr unangenehm. Kein Mensch ist gewiß mehr für Publizität als ich, allein ein in einer Unterhandlung zu einem bestimmten Zweck geschriebenes mémoire ist nie von der Art, daß es vor dem Publikum erscheinen sollte. Es drückt nicht einmal die Meinung dessen, der es schreibt, ganz aus. Denn da keiner, der mehr die Sache wie sich vor Augen hat, einen solchen Aufsatz macht, um sich in ein gewisses Verhältnis mit dem Publikum oder diesem oder jenem Teil desselben zu stellen, wenigstens mir diese Ansicht in Geschäften ewig fremd sein wird, so ist ein mémoire auf den Effekt unter den gegebenen Umständen berechnet. Es bezieht sich auf das Vorhergegangene und Nach- folgende, warum es nun aus diesem Zusammenhang herausreißen und einzeln hinstellen? Meine Idee war von Anfang an in dieser Unterhandlung und ist es noch heute, daß der Friede auf einer geradezu umgekehrten Basis steht. Man hätte alles, was nötig war, zur Sicherheit abreißen und keine Truppen in Frankreich lassen sollen. Man hat das Entgegengesetzte getan. Meine Absicht bei diesem mémoire war, diese Umkehrung auszusprechen und womöglich zu bewirken. Eben darum war es nur ein Anfang, hätte sich die Umkehrung bewirken lassen, so mußte nur gesagt werden: Was und wieviel soll man abreißen? Dazu kam noch, daß mein mémoire das zweite in der Reihe (jede Macht machte eins) war und unmit- telbar auf das von Capo d’Istrias *) folgte. Nun hatte Capo d’Istrias alles darauf gegründet, daß die Verbündeten kein Recht hätten, die ——— *) Vgl. S. 139. 159