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[ Band 5 Brief 68: Humboldt an Caroline Frankfurt, 22. Dezember 1815 ]
68. Humboldt an Caroline Frankfurt, 22. Dezember 1815 Ich freue mich, liebe Li, daß der kürzeste Tag vorüber ist, das Jahr steigt nun wieder hinan, vor dem längsten Tag hoffe ich doch gewiß wieder mit Dir vereint zu sein, es ist meine einzige Hoffnung und meine einzige Sehnsucht. Ich weiß noch gar nichts vom Staatskanzler und auch das Departement schickt mir nicht einmal die Berliner Zeitungen wie sonst. Ohne Dich und Deine liebende Sorgfalt wüßte ich gar nichts von Berlin. Ich war gestern in Hanau, Flemming war mit mir. Ich habe ihn sehr gern. Ich glaube aber nicht, daß er sehr lange mit mir bleiben wird, er bekommt gewiß bald eine eigene Anstellung; er verdient sie, und es ist auch gut sie ihm zu geben, da es sehr an brauchbaren Menschen fehlt und er recht gut arbeitet. Heute wird ein junger Bülow *) bei mir essen, der halb und halb bestimmt ist, auch mit mir nach Paris zu gehen. Er will nämlich zuerst umsonst dienen, und so ist es recht gut, einige Menschen zuzuziehen. Der alte Blücher ist noch hier und lebt hier wieder auf. Es geht viel besser mit seiner Gesundheit, und er fängt auch nun an auszugehen, selbst des Abends, um seine Partie zu machen. Nur kann er des Nachts nicht schlafen. Er legt sich meistenteils gar nicht zu Bett, bleibt angezogen, schlummert nur eine Stunde aus dem Sofa, geht dann herum, schläft wieder und verbringt so die Nacht. Es scheint, daß er noch einige Tage hier bleiben wird. Ich habe diese Woche fast keinen Abend zu Hause zubringen können. Es sind, vermutlich wegen der heiligen Woche, fast alle Abende Gesellschaften gewesen, und wo ich zum erstenmal in Häusern gebeten war, mochte ich nicht abschlagen, hinzugehen. ——— *) Heinrich v. Bülow, geb. 1791, † 1846, Humboldts künftiger Schwie- gersohn. Vgl. Gabriele v. Bülow, Tochter Wilhelm v. Humboldts. Ein Lebensbild aus den Familienpapieren Wilhelm v. Humboldts und seiner Kinder. 1791—1887. 14. Aufl. Berlin 1911, E. S. Mittler & Sohn. 158